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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0025

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1. Einleitung

und Ausgrenzung bilden ihre Pole und spannen eine Art Netz auf, in dem vesti-
mentäre Verhaltensweisen an Fürstenhöfen immer wieder aufs neue angesiedelt
werden können.
Die maßgeblich der Soziologie entlehnte Lesart von Kleidungspraktiken als
kulturell und damit historisch bedingten, gruppenbildenden und identitätsstiften-
den Akten sozialer Kommunikation prägt indes nicht nur die Herangehensweise
der Arbeit, sondern ist auch ausschlaggebend für die innerfachliche Standortbe-
stimmung. Auf einer breiteren Ebene verortet sich die Dissertation in der >neueren<
Kulturgeschichte, die Kultur als »die symbolische Dimension des sozialen Lebens
[begreift], die auf die Sinn- und Bedeutungsebene sozialen Handelns verweist,
ohne die eine Orientierung in der Gesellschaft und das Verstehen gesellschaftli-
cher Prozesse unmöglich ist.«82 Doch zugleich versteht sie sich mit dem gewählten
Ansatz in einem engeren Sinne als Beitrag zu einer als Geschichte sozialer Kommu-
nikation aufgefassten Kommunikationsgeschichte.83

1.5 Quellen und Aufbau

Die Erforschung spätmittelalterlicher Fürsten- und Hofkleidung sieht sich zunächst
mit dem Problem konfrontiert, daß ihr ihr eigentlicher Untersuchungsgegenstand,
nämlich die Kleidung selbst, kaum als Quelle zur Verfügung steht. Im Unterschied
zur neuzeitlichen Kleidungsforschung, die sich auf einen beachtlichen, mit den
Jahrhunderten dichter werdenden Fundus von Originalgewändern stützen kann,84
kann die mediävistische Kleidungsforschung, zumal die zu weltlicher Gewan-
dung, nur sehr begrenzt auf Realien zurückgreifen.85 Aus dem 15. und 16. Jahrhun-
dert sind heute europaweit nur noch eine Handvoll profaner Fürstengewänder er-
halten.86
82 Reichardt, Bourdieu für Historiker?, 1997, S. 72. Erg. durch die Verf. Dieser Kulturbegriff ist
der Kultursoziologie entlehnt, in der »Kultur als Repertoire von Handlungsressourcen, als
symbolische Dimension sozialen Handelns bzw. menschlicher Praxis begriffen wird.« Fröhlich,
Mörth, Lebensstile als symbolisches Kapital?, 1994, S. 14. Herv. im Orig.
83 Dazu Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003, der diese Art der Kommunikationsge-
schichte von einer primär als Mediengeschichte verstandenen Kommunikationsgeschichte
absetzt.
84 Man vergleiche nur den umfangreichen Gewandbestand des Germanischen Nationalmuse-
ums Nürnberg zum 18. bis 20. Jahrhundert. Die 2002 neu konzipierte Dauerausstellung der
Kostümsammlung zeigt der Katalog Zander-Seidel, Kleiderwechsel, 2002.
85 Das gilt besonders für das Spätmittelalter, wohingegen aus dem Früh- und Hochmittelalter
einige Herrschermäntel überliefert sind. Besonders aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhun-
derts haben sich ungewöhnlich viele Textilien erhalten. Dazu Keupp, Die Wahl des Gewan-
des, 2010. Verglichen mit den rar gesäten profanen Kleidungsstücken ist der Bestand an origi-
nal erhaltenen liturgischen Gewändern aus dem Mittelalter nicht so schmal.
86 In der Kathedrale von Uppsala sind neben liturgischen Gewändern und Textilien ein weltli-
cher goldener Frauenrock aus dem frühen 15. sowie mehrere weltliche Kleidungsstücke aus
dem 16. Jahrhundert gefunden und restauriert worden, die der dänischen Königin Margare-
tha bzw. weiteren Mitgliedern der Königsfamilie gehört haben. Dazu Dihle, Das Goldene Ge-
wand der Königin Margaretha, 1921-1922; Geijer, Textiles Treasures of Uppsala Cathedral,
1964, bes. S. 62-70. In der Dresdner Rüstkammer befindet sich ein vollständig und ungewöhn-
 
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