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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0148

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2.3 Ein Blick in fürstliche Gewandtruhen

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2.3 Ein Blick in fürstliche Gewandtruhen

Die Kleidung der Reichsfürsten und Reichsfürstinnen hat sich im Hinblick auf
Schnitte, Material- und Farbzusammenstellungen sowie Dekorationen als äußerst
vielfältig erwiesen. In ihrer ganzen Bandbreite erschließt sie sich jedoch erst, wenn
auch diejenigen Gewänder, die zu bestimmten Gelegenheiten getragen wurden,
Berücksichtigung finden.794 Denn um 1500 waren fürstliche Gewandtruhen mit al-
lerlei Kleidungsstücken für die verschiedensten Anlässe, seien es Reisen, Turniere,
Jagdausflüge, Badebesuche oder gar die Nachtruhe, gefüllt. Weil dies - abgesehen
vom Schlafen und, sofern eine eigene Badestube im Schloß existierte, vom Baden -
Angelegenheiten waren, die im Beisein von Standesgenossen und Untergebenen
stattfanden, unterlagen solche speziellen Gewänder ebenso dem Spiel der Distink-
tion wie die übrige Kleidung.
Nachdem in den beiden vorangegangenen Kapiteln fürstliche Gewänder in
ihren unterschiedlichsten Aspekten - der Form, den Materialien, der farblichen
Gestaltung und der Anfertigung - beleuchtet worden sind, wird deshalb nun die
Perspektive gewechselt und Fürstenkleidung in Bezug auf ihre Funktionalität be-
trachtet. Da der Verwahrungsort von Kleidung, wie zu zeigen sein wird, bedingt
Hinweise auf deren Zweckmäßigkeit liefert, wird dabei nicht nur die Zusammen-
setzung, sondern auch die Aufbewahrung des Gewandbestandes in den Blick ge-
nommen.

2.3.1 Zusammensetzung der fürstlichen Garderobe
Die fürstliche Garderobe - hier im Sinne des gesamten Kleidungsbestandes -
enthielt eine ganze Reihe an Gewändern, die bestimmten Tragegelegenheiten Vor-
behalten waren. Solche speziellen Kleidungsstücke unterschieden sich zwar nicht
genuin von den übrigen Gewändern, zeichneten sich aber dadurch aus, daß sie in
ihren Ausführungen eigens auf die jeweiligen Erfordernisse abhoben. So wurden
etwa an Reisekleidung nicht die gleichen Anforderungen gestellt wie an Turnier-
kleidung, und Jagdgewänder bedurften selbstredend einer anderen Ausgestaltung
als Nachtgewänder. Aus diesem Grund verfügten Fürsten und zum Teil auch Fürs-
tinnen über Kleidungsstücke für bestimmte Anlässe respektive Aktivitäten, denen
eine stärkere praktische Komponente zu eigen war.
2.3.11 Reit- /Reisekleidung
Angemessene Kleidung wurde beispielsweise zum Reiten im allgemeinen und
zum Reisen im besonderen benötigt. Hoch im Kurs standen dafür bei Fürsten und
Fürstinnen um 1500 sogenannte Reitröcke.795 Am sächsischen Hof wurde etwa im
794 Auf >den Anlaß< als wichtige Komponente von Kleidung weisen auch Hundsbichler, Jaritz,
Vavra, Tradition? Stagnation? Innovation?, 1982, S. 43, hin.
795 Nach Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 208, kamen in der
Reitkleidung im 14. und 15. Jahrhundert statt Röcken verstärkt Schecken oder Wämser und
Beinlinge zum Einsatz. Die untersuchten Schriftstücke zeichnen jedoch - zumindest begriff-
 
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