Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0124

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2.2 Vom Stoff zum Gewand: Die Anfertigung von Kleidung

113

spräche über Kleidung halten konnte, sondern erlaubten auch, bis zu einem gewis-
sen Grad noch im Laufe der Arbeit fürstliche Wünsche zu berücksichtigen und
kleinere Änderungen an einem Gewand vorzunehmen.

2.2.2 Zusammentragen der Materialien
Stand das Aussehen eines zu fertigenden Kleidungsstückes fest, wurde zunächst
geprüft, ob die benötigten Materialien - Stoffe, Pelze, Leder, Garne, Nesteln, Bor-
ten, Schnüre, Perlen, Edelsteine, Federn usw. - in ausreichender Menge vorhanden
waren; war dies nicht der Fall, mußte das, was fehlte, ergänzt werden. Im großen
und ganzen speiste sich der >Material-Pool<, aus dem für die Anfertigung von Klei-
dung geschöpft wurde, aus vier Kanälen: erstens aus den am Hof befindlichen Ma-
terialbeständen, zweitens aus Übersendungen von Verwandten, drittens aus Ein-
käufen und viertens aus der Wiederverwertung alter Gewänder.
Es liegt nahe, daß der Hofschneider zunächst einmal in seinem Fundus nach-
sah, sobald er Stoffe oder Pelze für die Anfertigung von Kleidung brauchte. Dort
fand er oft Reste vor, die von früheren Einkäufen übriggeblieben waren und noch
keine Verwendung gefunden hatten. Pragmatisch wie es in der Hof Schneiderei zu-
ging, wurden diese Stoff- oder Pelzreste erst einmal aufgebraucht, bevor neue Ma-
terialien angeschafft wurden.646 Überdies hielten die spätmittelalterlichen Höfe
stets ausdrücklich ein bestimmtes Kontingent an wertvollen Seidenstoffen und
kostbaren Pelzen vor, um für unvorhergesehene Ereignisse gewappnet zu sein.647
Wenn der Schneider Kleidung für eine frisch vermählte Fürstin nähen sollte,
konnte er zudem einen weiteren, speziellen Posten nutzen, und zwar ihren Braut-
schatz. Denn eine Fürstin bekam nicht nur fertige Gewänder, sondern auch lose
Stoffe und anderes mit in die Ehe. So enthielt etwa die Brautausstattung Marias von
Brandenburg an unverarbeiteten Materialien goldene Perlen, 32 Ellen lündisches
Tuch, drei Zimmer648 Hermelin und lose Seide, die für die Anfertigung von Klei-
dung verwendet werden konnten.649

646 In den Registern der sächsischen Hofschneiderei, in denen der Stoffverbrauch für die Hofklei-
dung verzeichnet wird, werden zum Beispiel etwaige Stoffreste samt ihrer Verwendung in
gesonderten Rubriken aufgeführt. Siehe exemplarisch ThHStA Weimar, Ernestinisches Ge-
samtarchiv, Reg. Bb 5920, fol. lv (Winterhofkleidung zu Weimar 1502: Im vorradt gehabt von der
nechstn cleydu[n]g); Reg. Bb 5921, fol. 2v (Winterhofkleidung 1503: Voradt vonn der nechsten clei-
dung); Reg. Bb 5923, fol. 15v (Winterhofkleidung zu Coburg 1506: Im voradt von der somerclei-
dung); Reg. Bb 5928, fol. 2r-3v (Sommerhofkleidung zu Weimar 1512: Vorrat im winter hüben
nach laut desselben registers). Die von Selzer, Blau, 2010, S. 118, vertretene These, »daß nach der
Verteilung der Pflichtgaben noch solange weiter Tuch aus fürstlichen Gnaden verschenkt
wurde, bis von den gelieferten Stoffen nichts mehr vorhanden war«, ist demnach zumindest
so pauschal unzutreffend.
647 Piponnier, Mane, Se vêtir, 1995, S. 38; vgl. Delort, Le commerce des fourrures, 1978, S. 629, zu
Pelzvorräten S. 628-629; für den Hof Ludwigs von Savoyen Page, Vêtir le prince, 1993, S. 33-36
und Anm. 91, S. 39.
648 Zimmer ist eine Maßeinheit für kostbare Pelze. Delort, Le commerce des fourrures, 1978, S. 14.
649 GhStA Berlin, BPH, Rep. 41II W1 3, fol. 6v und 7r. Maria, die Tochter Kasimirs und Susannes
von Brandenburg, heiratete am 12. Juni 1537 in Crailsheim Pfalzgraf Priedrich II. von Sim-
mern. Europäische Stammtafeln, hrsg. von Schwennicke, Bd. 1.1, 2005, Tafel 139.
 
Annotationen