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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0168

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2.4 Zusammenfassung

157

Gewändern diente.950 In der Augustusburg gab es laut eines Inventars von 1576 eine
Kleiderkammer, die unmittelbar an die Schlafkammer des in der Hofschneiderei
arbeitenden Personals bzw. an die Hofschneiderei grenzte.951 Daß in deutschen
Schlössern nun ganze Räume ausdrücklich der Verwahrung von Kleidung gewid-
met wurden, deutet auf einen größeren Platzbedarf und damit auf ein Anschwellen
des Gewandbestandes in der zweiten Jahrhunderthälfte hin.952 Herzog Wilhelm V.
von Bayern trug diesem Umstand anscheinend Rechnung, indem er gegen Ende
des 16. Jahrhunderts das Amt eines >Garderobiers< einführte, der sich, dem Namen
nach zu urteilen, ausschließlich um die Kleiderkammer und ihren Inhalt küm-
merte - zumal es weiterhin die Kammerdiener übernahmen, dem Fürsten beim
An- und Auskleiden behilflich zu sein.953

2.4 Zusammenfassung

Im vorangegangenen Teil der Arbeit ist die Kleidung an Reichsfürstenhöfen um
1500 aus mehreren Blickwinkeln betrachtet worden. Gebräuchliche Kleidungs-
stücke wurden in ihren möglichen Formen, Materialien und Farben beschrieben,
der Anfertigungsprozeß von Gewändern nachgezeichnet und die Zusammenset-

950 Diesen Hinweis verdanke ich dem Mainzer Kunsthistoriker Herrn Prof. Matthias Müller.
Zum Güstrower Schloß siehe Müller, Spätmittelalterliches Fürstentum im Spiegel der Archi-
tektur, 2002, S. 134-139. Von daher scheint es sich bei der in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts auf Schloß Udenheim vorhandenen habichcamer wohl eher noch nicht - wie Andermann,
Burgen und Residenzen, 1990, Anm. 70, S. 111, vorsichtig annimmt - um eine Kleiderkammer
gehandelt zu haben. Das in der Meißener Albrechtsburg für die Jahre 1566, 1571 und 1577
verbürgte kleider kemmerchen war offensichtlich kein eigener Raum, denn es wird zusammen
mit einem Himmelbett und zwei Spannbetten als >Mobiliar< der vorderen Schlafkammer im
zweiten Obergeschoß inventarisiert. Vgl. Hoppe, Die funktionale und räumliche Struktur,
1996, S. 58. Vielleicht ist darunter eine abgetrennte Raumecke oder eine Art begehbarer Klei-
derschrank zu verstehen. Langer, Kasten/Truhe, 2005, S. 103, die auf der Basis von Inventaren
bereits für den Zeitraum 1450-1550 von eigenen Garderobenräumen für Kleiderschränke (in
der Nähe der Bedienstetenunterkünfte) ausgeht, ist unter Umständen dem irreführenden Be-
griff der garde-robe aufgesessen.
951 Hoppe, Die funktionale und räumliche Struktur, 1996, S. 342-343.
952 Implizit manifestierte sich die Vergrößerung des Gewandbestandes auch in der im späteren
16. Jahrhundert vermehrten Ansiedlung von Seidenwebern bei Hofe, die von einer wachsen-
den Nachfrage nach Seidenstoffen zeugt. Vgl. Fuhrmann, Versorgungsgebäude und Einrich-
tungen, 2005, S. 105-106.
953 Kammerordnung Herzog Wilhelms V. von Bayern (1589). Deutsche Hofordnungen, hrsg. von
Kern, Bd. 2,1907, S. 213, S. 219. Der zeitgenössische Begriff lautet guardaroba (Lexer, Mittelhoch-
deutsches Taschenwörterbuch, 1992, S. 53: gare = >Kleidung, Rüstung<; gardian, guardian, it. gu-
ardiano V. guardare aus ahd. wartên). Entsprechend betitelte, für die Kleidung des Herzogs zu-
ständige Hofbedienstete werden wiederholt auch in den Anordnungen Wilhelms V. zur
Ausstattung der Fronleichnamsprozession 1580 und in der Kammerordnung Herzog Maximi-
lians I. von Bayern von 1597 erwähnt. Schnitzer, Höfische Maskeraden, 1999, S. 9, Anm. 10, und
die Kammerordnung Herzog Maximilians I. von Bayern (1597). Deutsche Hofordnungen,
hrsg. von Kern, Bd. 2, 1907, S. 224-225. Desgleichen übernahmen am preußischen Hof die
Kammerjungfrauen die Aufsicht über die Gewänder und Kleinodien der Herzogin. Gunder-
mann, Herzogin Dorothea von Preußen, 1965, S. 81.
 
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