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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0167

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2. Von Stoffen und Gewändern

Indes sind längst nicht alle Gewänder, die in fürstlichen Silberkammern ver-
wahrt wurden, gebraucht gewesen. Ein Indiz dafür findet sich wiederum in dem
Stuttgarter Inventar von 1421, in dem für die Silberkammer ein swartzer mantel von
damast aufgeführt und mit dem erklärenden Zusatz ist vbrucht frolblin [EJlslin verse-
hen wird.946 Augenscheinlich handelte es sich um einen neuwertigen Mantel aus
dem Besitz Elisabeths, einer jüngeren Tochter Graf Eberhards III.947 Da an Fürstenhö-
fen Kleidung in der Regel gezielt, bei tatsächlichem Bedarf genäht wurde, wird je-
doch eher ein kleinerer Teil der in der Silberkammer verstauten Gewänder unbe-
nutzt gewesen sein.
Die Silberkammer diente demnach als eine Art Sammelstelle für wertvolle
Kleidungsstücke und -materialien, die - unabhängig davon, ob sie abgelegt, geerbt
oder neuwertig waren - einer sicheren Verwahrung bedurften. Daß Gewänder aus
der Silberkammer mitunter offenbar für eine gewisse Zeit an Mitglieder der fürst-
lichen Familien ausgegeben wurden, legt abermals ein Vermerk im Inventar des
Stuttgarter Schlosses nahe: Bezüglich eines giddin mantel, der fest zum Bestand der
Silberkammer gehörte, wurde vermerkt hat frolin Aenlin948, d. h. er war wohl leih-
weise an die junge Anna von Württemberg übergeben worden.
Nachdem Gewänder und Stoffe im 15. und frühen 16. Jahrhundert zunächst
noch an mehreren Orten im Schloß deponiert worden sind, bürgerten sich in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts allmählich Kleiderkammern ein.949 Den bislang
frühesten bekannten Beleg für eine Kleiderkammer im Reich liefert ein aus dem
Jahre 1568 stammendes Inventar für das mecklenburgische Schloß Güstrow, dem
zufolge eine schmale Kammer über der Toreinfahrt eigens der Aufbewahrung von

946 HSt A Stuttgart, A 602 WR 41, fol. 9r.
947 Nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Antonia Visconti 1405 war Eberhard eine zweite Ehe
mit Elisabeth von Nürnberg eingegangen (Kontrakt vom 27. März 1406, vermählt aber erst vor
dem 22. November 1412). Aus dieser Verbindung stammte die kleine Elisabeth, deren Ge-
burtsdatum unbekannt ist, die aber sicherlich erst nach der Vermählung geboren wurde. Im
Jahre 1421 kann sie demnach nicht älter als neun Jahre alt gewesen sein. Vgl. Europäische
Stammtafeln, hrsg. von Schwennicke, Bd. 1.2,1999, Tafel 256.
948 HSt A Stuttgart, A 602 WR 41, fol. 9r.
949 Andernorts gäbe es solche Kleiderkammern schon bedeutend früher. Im päpstlichen Palast in
Avignon zum Beispiel ist ein vestiarium bereits während des ersten Bauabschnitts unter Bene-
dikt XII. (1334-1342) angelegt worden. Albrecht, Der Adelssitz im Mittelalter, 1995, S. 121. Für
zahlreiche französische Schlösser des 14. und vor allem 15. Jahrhunderts ist eine garde-rohe
belegt. Vgl. Ebd., S. 90, S. 146, S. 148, S. 170, S. 172. Dabei handelte es sich allerdings nicht um
Kleiderkammern, sondern um Räume privater Natur - als Teil des herrscherlichen Apparte-
ments oder als Unterkünfte für die Dienerschaft. Ebd., S. 123, S. 148. Auch Hoppe, Bauliche
Gestalt und Lage von Frauenwohnräumen, 2000, S. 154, weist garderohes oder guardarobes im
west- und südeuropäischen Schloßbau als Nebenräume mit einem intimeren Charakter aus.
Vorsicht ist also bei der Interpretation geboten, wenn wie in den Hofordnungen Philipps des
Guten von Burgund (1426/27, 1433, 1438, 1449, 1458/59) und seiner Gemahlin Isabellas (1430)
von einem valet de garderohe und einem aide de la garderohe die Rede ist. Kruse, Hof, Amt und
Gagen, 1996, S. 85-87 und dazu S. 98. Frau Dr. Liliane Châtelet-Lange hat mich freundlicher-
weise darauf aufmerksam gemacht, daß die garde-rohe in Frankreich noch während des größ-
ten Teils des 16. Jahrhunderts zum königlichen Appartement gehörte und für die verschie-
densten Zwecke benutzt wurde, eine Nutzung als Aufbewahrungsraum für Kleidung jedoch
eher selten belegt ist. Erst im späteren 16. Jahrhundert wandelte sich der Begriff garderohe of-
fenbar zur Bezeichnung für die Kleiderkammer.
 
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