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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0119

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2. Von Stoffen und Gewändern

von Stickereien beauftragt.616 Während Lucas Cranach im Dienst Herzog Friedrichs
des Weisen von Sachsen stand, lieferte er seinem Herrn mehrfach Entwürfe für die
Hofkleidung - ob sie nun eigenhändig von ihm oder von einem seiner Gehilfen
ausgeführt worden sind, sei dahingestellt.617
Neben den Künstlern waren die Handwerker für die Konzeption der von ih-
nen angefertigten Produkte zuständig. So zeichneten bisweilen Seidensticker die
Entwürfe für ihre Näh- und Stickereiarbeiten selbst. Darauf deutet etwa eine Zunft-
ordnung für die Salzburger Goldschmiede und Seidensticker aus dem Jahre 1486
hin, in der unter anderem festgelegt wurde, daß die Lehrjungen alle Vierteljahr als
Nachweis ihres handwerklichen Könnens und Fortschritts einen Entwurf abliefern
sollten.618 Es liegt auf der Hand, daß die Schneider ebenfalls zeichnerische Fähigkei-
ten besitzen mußten, um eigene Kleidungsentwürfe bildlich festhalten zu können.
Unabhängig davon, ob sie nun von den Handwerkern stammten oder eigens
bei einem Künstler in Auftrag gegeben worden waren, dienten Skizzen von anzu-
fertigenden Gewändern oder Stickereien den Schneidern und Seidenstickern in der
Werkstatt als Vorlagen, an denen diese sich bei ihrer Arbeit orientierten. Als Leon-
hard Straßburger, der Hofseiden sticker Maximilians, 1509 den Auftrag bekam, drei
Fahnen mit Wappen zu besticken, erhielt er dafür eine Vorlage, die vom Hofmaler
Jörg Kölderer erstellt worden war.619 Ein anderes Mal gab man ihm etlich bild, auf
papier entworfen, die er in Stickereien umsetzen sollte.620 Es ist anzunehmen, daß bei
Gewandstickereien ebenso verfahren wurde.
Wie die Seidensticker arbeiteten die Schneider in ihren Werkstätten nach Mus-
terzeichnungen, sei es, daß sie sie selbst entworfen hatten, sei es, daß sie zuvor von
Künstlern ersonnen worden waren. Für die Kleidung an Fürstenhöfen ist eine
ganze Reihe solcher Zeichnungen aus den letzten Jahrzehnten des 15. und vor al-
lem aus dem 16. Jahrhundert überliefert, die hauptsächlich für Einheitlichkeit sor-
gen sollten.621 Weil sie in der Regel jeweils einen Mann im Hofgewand darstellen,
werden derartige Kostümbilder auch als Figurinen bezeichnet. Die umfangreichs-
ten Figurinen-Sammlungen haben sich für die Herzoge von Bayern und die Her-
zoge von Sachsen erhalten. Das sogenannte Hofkleiderbuch umfaßt für den Zeit-

616 Egg, Maximilian und die Kunst, 1969, S. 99.
617 Nach Ludolphy, Friedrich der Weise, 1984, S. 108, stammen die Figurinen von Cranach selbst.
Dihle, Kostümbilder und Rechnungsbücher, 1929, S. 128, geht hingegen davon aus, daß diese
zwar in Cranachs Werkstatt entstanden, aber nicht eigenhändig von Cranach produziert wor-
den sind.
618 Wagner, Notizen zur spätmittelalterlichen Seidenstickerei, 1997, S. 139. Trotz der Ähnlichkeit
ihrer Arbeitstechniken bildeten die Seidensticker nicht mit den Schneidern, sondern mit den
Goldschmieden oder den Malern eine Zunft, S. 135. Das erklärt wohl auch, weshalb ein Stock-
holmer Sticker um 1500 wechselweise als Sticker, Maler oder Perlenhefter bezeichnet wurde.
Wilckens, Die textilen Künste, 1991, S. 240. Zum Zusammenwirken von Malern und Stickern
bei der Anfertigung liturgischer Textilien vgl. Bergemann, Auftragsbedingungen und Gestal-
tungsfreiheiten der Stickereiwerkstätten, 2010, S. 10-14.
619 Egg, Die Kunst der Seidensticker, 1962, S. 24.
620 Ebd. Daß sich der Stil der Seidenstickereien ab 1400 parallel zum Stil der Malerei entwickelte,
wertet Egg Ebd., S. 10, als weiteren Beleg dafür, daß Maler die Entwürfe für Bild Stickereien
lieferten. Auf »einer künstlerischen Annäherung von Maler- und Bildhauerwerkstätten mit
solchen aus dem Textilbereich« im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts besteht auch Wagner,
Notizen zur spätmittelalterlichen Seidenstickerei, 1997, S. 140.
621 Vgl. dazu auch Selzer, Blau, 2010, S. 125-129.
 
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