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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0056

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2.1 Terminologie und Typologie

45

16. Jahrhundert existierte deshalb ein umfangreiches Stoffangebot, aus dem für die
Anfertigung von Kleidung bei Hofe reichlich geschöpft werden konnte, sofern die
nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung standen.
An deutschen Fürstenhöfen wurde Kleidung in der zweiten Hälfte des 15. und
im frühen 16. Jahrhundert aus den unterschiedlichsten Stoffen genäht, wobei - wie
die Untersuchung deutlich machen wird - selbstverständlich nicht alle verwende-
ten Stoffe auch allen Hof mit gliedern offen standen.164 Für die Kleidung der Reichs-
fürsten und -fürstinnen wurde die Palette vorhandener Stoffe hingegen in ihrer
ganzen Breite genutzt.165 Gräfin Barbara von Württemberg etwa besaß nach Aus-
weis eines Gewandverzeichnisses aus dem Jahre 1491 Gewänder aus Samt, Atlas,
Scharlach und Tobin. Weitere Kleidungsstücke waren aus Wolle und Arlaß, Schamlott
sowie Damast und Harras gearbeitet, wieder andere bestanden aus Barchent, Zendal
und Taft, Schiller(taft) und Seide sowie Kindischem und lombardischem Tuch. Dazu ka-
men goldene und silberne Stücke.166 Für Kleidung und andere Textilien am Hof Her-
zog Albrechts von Sachsen wurden 1477 Samt, Atlas, Damast, goldene Stücke sowie
goldene und silberne Tuche in Venedig eingekauft.167 Drei Mäntel des Markgrafen Si-
gismund von Brandenburg bestanden aus Grobgriin, und zwar aus seidenem Grob-
grün. Einer davon hatte Aufschläge aus rotem Samt, ein anderer, aus schwarzem
seidenen Grobgriin genäht, war mit Aufschlägen aus weißem Samt und goldenen
Schnüren versehen.168 Für Herzog Johann Friedrich von Sachsen wurde 1531 aus
acht Ellen Zendeltort ein Wams genäht.169
Hinter all diesen Bezeichnungen, die dem heutigen Leser zum Teil vertraut
anmuten, zum Teil zunächst einmal nichts sagen, verbergen sich ganz unterschied-
liche Stoffarten. Als Rohstoffe für Textilien wurden im späten Mittelalter sowohl
tierische Fasern (Seide, Wolle und Filz) als auch pflanzliche Fasern (Baumwolle und
Flachs) verwendet, die mittels bestimmter Textiltechniken zu verschiedenen Stof-
fen verarbeitet wurden.170 Seide war zweifellos der teuerste dieser fünf Rohstoffe171
und wurde vor allem wegen ihres schimmernden Glanzes, ihrer trotz eines gerin-
gen Gewichts vorhandenen Festigkeit und ihrer Farbechtheit geschätzt.172
An Seidengeweben173 wurden für die Herstellung fürstlicher Kleidung an der
Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert im wesentlichen Brokat, Samt, Atlas und Satin,

164 Dazu unten S. 265.
165 Aus diesem Grund wird die Darstellung der Stoffe wie bereits die Darstellung der Kleidungs-
stücke vor allem auf Fürstenkleidung fokusiert.
166 Vgl. HStA Stuttgart, A 602 WR 380a, Bl. 16, Bl. 18-19.
167 Siehe Mörtzsch, Aus den Stoffrechnungen einer fürstlichen Kleiderkammer, 1929/1930, S. 55.
168 Vgl. GhStA Berlin, BPH, Rep. 30 Via, fol. lv-2r.
169 StA Coburg, LA A Nr. I960, fol. 17r.
170 Diese Definition von >Stoff< ist Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung,
1992, S. 247, entnommen. Zu Rohstoffen für Textilien im frühen Mittelalter vgl. Müller, Die
Kleidung, 2003, S. 206-214. Das im folgenden verwendete textiltechnische Vokabular orien-
tiert sich in erster Linie an den vom Lyoner Centre International d'Etudes des Textiles Anciens
(C. I. E. T. A.) empfohlenen Richtlinien (auszugsweise abgedruckt bei Markowsky, Europäi-
sche Seidengewebe, 1976, S. 99-113).
171 Trotz der steigenden Produktion blieben Seidenstoffe auch im 15. und frühen 16. Jahrhundert
weiterhin teuer. Thiel, Geschichte des Kostüms, 2004, S. 178.
172 Taylor, Mourning Dress, 1983, S. 205.
173 Vgl. dazu grundlegend die nach wie vor hervorragende Studie von Markowsky, Europäische
Seidengewebe, 1976; Wilckens, Die textilen Künste, 1991; Cavaciocchi (Hrsg.), La seta in Eu-
 
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