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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0071

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2. Von Stoffen und Gewändern

zer, grüner und weißer Samt gekauft. Den größten Posten machte augenscheinlich
Atlas aus, der in gleich acht verschiedenen Farben erworben wurde. Der Hof bezog
sowohl karmesinroten, schwarzen und weißen als auch leber- und leibfarbenen282
Atlas, ferner grauen, grünen und braunen. Insgesamt, d. h. inklusive Ausgaben für
Zoll, Verpackung, Transport etc., kostete dieser Stoffeinkauf rund 1000 Gulden.283
Auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1512 wurden für die Sommergarderobe Her-
zog Friedrichs des Weisen von Sachsen für einen Gulden graue und schwarze mai-
ländische Borten gekauft, die wohl für Barette (in die parnet) vorgesehen waren284,
und für Herzog Johann zwei Gulden für mailändische Borten der hoffarb in die pa-
ret19,5 ausgegeben.
Weil Reichsfürsten und -fürstinnen für die Anfertigung ihrer Kleidung zur
damaligen Zeit in erster Linie auf italienische Seidenstoffe zurückgriffen, kann da-
von ausgegangen werden, daß die in der italienischen Seidenweberei geläufige
Ranken-, Blüten- und Blumenornamentik auch eingang in die reichsfürstliche
Mode gefunden hat. Aus diesem Grund erscheint es ebenfalls durchaus plausibel,
daß das im 15. Jahrhundert vorherrschende Stoffmotiv des Granatapfelmusters in
der Kleidung der Reichsfürsten und -fürstinnen präsent war, obwohl es in den un-
tersuchten Schriftzeugnissen nicht unmittelbar greifbar wird. Speziell bei Klei-
dungsstücken, die aus gemustertem Samt oder Damast bestanden, verbarg sich
hinter der Musterung möglicherweise mitunter ein Granatapfelmuster.286 Wenigs-
tens so manches aus Brokat hergestellte Gewand besaß mutmaßlich ein Granat-
apfelmuster, da Brokatstoffe im 15. Jahrhundert vorwiegend dieses Motiv aufwie-
sen.287 Angesichts erhaltener bildlicher Darstellungen von Reichsfürsten und
Reichsfürstinnen kann allerdings wohl entgegen der in der Kostüm- und Textil-
kunde langläufigen Ansicht bezweifelt werden, daß das Granatapfelmuster damals
im Reich wie in Burgund oder Italien die dominierende Musterung fürstlicher bzw.
vornehmer Kleidung gewesen ist.288 Es tritt nur gelegentlich entgegen, etwa auf ei-
nem Stifterbild der Familie des Markgrafen Friedrich des Älteren von Brandenburg
in der Klosterkirche Heilsbronn, das Friedrichs Gemahlin Sophia in einem gelb-
goldenen Rock mit einem schwarzen Granatapfelmuster zeigt.289 Das Granatapfel-
muster scheint vielmehr ein gebräuchliches Stoffmuster unter vielen gewesen zu
sein; als Stoffmotive für Kleidung beliebt waren zumindest nach Ausweis der Bil-
der augenscheinlich eher Blumen, Ranken und Schnörkel. Bezogen auf die deut-
sche Fürstenkleidung kann ein eindeutiger Vorrang des Granatapfelmusters, wie

282 Zu Leibfarben siehe S. 71.
283 Vgl. ThHStA Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Bb 5910, fol. lr-4r.
284 ThHStA Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Bb 5928, fol. 4r.
285 Ebd., fol. 4v.
286 Das Granatapfelmuster wurde vor allem als Samt, daneben auch als Damast oder als Lampas
gewebt. Wilckens, Die textilen Künste, 1991, S. 127.
287 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 38. Bis weit ins 16. Jahr-
hundert hinein produzierte man im Reich offenbar keine Brokate. In Augsburg wurde zum
Beispiel erst um 1541 versucht, goldenen und silbernen Brokat herzustellen. Markowsky, Eu-
ropäische Seidengewebe, 1976, S. 31. Die für Kleidung im späteren 15. und frühen 16. Jahrhun-
dert verwendeten Brokate dürften deshalb ebenfalls vorwiegend aus Italien importiert wor-
den sein.
288 Vgl. Thiel, Geschichte des Kostüms, 2004, S. 139, S. 153-154.
289 Siehe Abb. 24.
 
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