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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0099

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2. Von Stoffen und Gewändern

1538 rote Hofkleidung nähen ließ, denn am Hof herrschte offenbar Freude über die
bevorstehende Verlobung seines Sohnes Friedrich.496 Ob aber in Fällen wie diesen
tatsächlich die symbolische Bedeutung der Farbe den Ausschlag für die Wahl der
Gewandfarbe gegeben hat, ist nicht mehr zu ergründen. Selbst wenn mittels des
Kontextes ein konkreter Anlaß, zu dem ein Kleidungsstück getragen wurde, ausge-
macht werden kann und somit ein bestimmter Symbolgehalt der Gewandfarbe na-
heliegt, muß dieser nicht zwangsläufig vorhanden, geschweige denn intendiert
gewesen sein.
Obgleich höfische Kleidung durchaus eine farbsymbolische Dimension haben
konnte, ist anzunehmen, daß für die Wahl von Gewandfarben an Fürstenhöfen
eher andere Gründe im Vordergrund standen. In welchen Farben Gewänder gehal-
ten waren, war zunächst mal eine Frage des individuellen Geschmacks und der
zeitgenössischen Ästhetik, d. h. Mode gebunden. Sofern ein Fürst oder eine Fürstin
eine persönliche Vorliebe für bestimmte Farben besaß, floss diese vermutlich auch
in die Festlegung der Gewandfarben ein.497 Ebenfalls richtete sich ein Fürst bzw.
eine Fürstin bei derartigen Entscheidungen sicherlich nach sozialen Konventionen
und modischen Aspekten, d. h. er oder sie orientierte sich an denjenigen Farben,
die gerade en vogue waren. In der zweiten Hälfte des 15. und den ersten Jahrzehn-
ten des 16. Jahrhunderts ging der Trend in der höfischen Kleidung zu Schwarz und
Rot. Schwarze Gewänder konnten demnach nicht allein mit Trauer assoziiert wer-
den, sondern entsprachen auch der damaligen Mode. Als weitere Modefarbe für
höfische Kleidung, insbesondere als modische Festfarbe, kann Rot gelten. Die rote
Hofkleidung, die Herzog Georg von Sachsen 1538 ausgeben ließ, muß also nicht ein
Ausdruck von Freude gewesen sein, sondern kann ebenso gut ein Indiz dafür sein,
daß Georg darauf achtete, seine Hofkleidung in einer der gängigen Modefarben
anfertigen zu lassen.
Vorwiegend, so steht zu vermuten, erfolgte die Wahl der Gewandfarben an
Fürstenhöfen aber aus praktischen Erwägungen heraus. Sie war vorderhand da-
von abhängig, ob gerade genügend Materialien in der gewünschten Farbe zur
Verfügung standen. Dem Berliner Kaufmann Thomas Blankenfelde etwa war es
anscheinend nicht gelungen, die von seinem Auftraggeber Herzog Magnus von
Mecklenburg gewünschte Menge an schwarzem Samt zu besorgen, denn in dem
konnotiert als Farbe der feurigen Liebe (zu Gott), der Freude, der göttlichen Kraft und des er-
lösenden Blutes Christi.
496 Herzogin Elisabeth von Rochlitz teilte Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen in einem Brief
mit, daß ihr Hofmeister gerüchteweise von einer geplanten Vermählung ihres Schwagers
Friedrich gehört habe: Auch wil ich euer lieb nicht bergen, das mir meyn hofmestern schribet, wie das
sey zu Dressen gewest yst, hat sey gehört, das herzog Yorg wolt den summer rot kletten, und herzog
Frederich sey vorlobet, und auffpinsten sol est auffenbar werden. Aber sey hab dey brout nicht erfarn
können. Der Herausgeber Erich Brandenburg merkt dazu an, Georg habe sich »aus Freude über
die Verlobung seines Sohnes« rot gekleidet. Schreiben der Herzogin Elisabeth von Rochlitz an
Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen (1. Mai 1538). Politische Korrespondenz des Herzogs
und Kurfürsten Moritz von Sachsen, Bd. 1, hrsg. von Brandenburg, 1982, Nr. 14, S. 17 mit
Anm. 5. Friedrich heiratete am 27. Januar 1539 Elisabeth zu Mansfeld in Dresden. Vgl. Europä-
ische Stammtafeln, hrsg. von Schwennicke, Bd. 1.1, 2005, Tafel 167.
497 So vermutet Selzer, Blau, 2010, S. 165-166, hinter dem Wechsel der Hofgewandfarbe am hessi-
schen Hof von Rot und bisweilen Schwarz zu Leberfarben mit der Winterhofkleidung 1519
eine persönliche Entscheidung des seit Frühjahr 1519 selbständig regierenden Landgrafen
Philipp von Hessen.
 
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