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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0234

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3.1 Die Kleidung der Reichsfürsten

223

Fürstenmode. Die Bilder von Fürsten und Fürstinnen in französisch-burgundischer
Kleidung prägen vielfach bis heute populäre Vorstellungen vom Mittelalter.332 Die
Männerkleidung setzte sich zusammen aus einem Wams, das wattiert, in der Taille
gegürtet und mit Schulterpuffen versehen war, sowie strumpfartigen, eng anlie-
gende Beinlingen und langen, spitzen Schnabelschuhen. Die Frauenröcke besaßen
den Oberkörper eng umschließende, miederartige und tief dekolletierte Oberteile
und wiesen stoffreiche Rockpartien, lange Schleppen und häufig bodenlange Är-
mel auf. Als charakteristisch können ferner die turbanähnlichen Kopfbedeckun-
gen oder fezartigen Kappen der Männer und die kunstvoll aufgetürmten Frauen-
hauben gelten, insbesondere die Hörnerhaube und der Hennin. Auch die allmählich
aufkommende Vorliebe für Schwarz als Gewandfarbe wird oft dem burgundischen
Hof zugeschrieben, wo sie von Herzog Philipp dem Guten initiert worden sein
soll.333 Allerdings wurde die Entstehung und Verbreitung dieser wie anderer Mode-
farben wohl ebenso wie durch die Anregung seitens einzelner Höfe durch techni-
sche Neuerungen befördert. So wurde Schwarz als Modefarbe auch durch Innova-
tionen in der Schwarzfärbung begünstigt, denn nun konnten intensivere
Schwarztöne erzielt werden, die nicht nur die Färbung von Seiden- und Leinenstof-
fen, sondern auch von Pelzen möglich machten.334
Die in der Forschung aufgeworfene und noch diskutierte Frage, ob der Hof von
Burgund im 15. Jahrhundert als Modell für andere europäische Höfe fungiert hat,335
kann somit zumindest für die Kleidung vermutlich bejaht werden. Während für
andere Bereiche des höfischen Lebens ein burgundischer Einfluß auf andere Höfe
zwar vielfach vermutet, aber letztendlich nicht eindeutig belegt werden kann,336 ist
die Vorbildfunktion der Herzoge von Burgund für die europäische Lürstenmode
des 15. Jahrhunderts unbestritten.337 Dies mag damit Zusammenhängen, daß sich in
der Kleidung relativ klar umrissene Charakteristika herausarbeiten lassen, mit de-

332 Vgl. Abb. 16.
333 Zur persönlichen Vorliebe Herzog Philipps des Guten von Burgund für schwarze Kleidung
siehe Kamieth, Die Farbe Schwarz, 2001, S. 28-33. Karl V, der am Hof seiner Tante Margareta
in den Niederlanden geboren wurde und aufwuchs, präferierte ebenfalls schwarze Kleidung.
Ebd., S. 40; Krause, Lenning, Kleine Kostümkunde, 1995, S. 107; Europäische Stammtafeln,
hrsg. von Schwennicke, Bd. 1.1, 2005, Tafel 42 und 43. Die Wertschätzung der Fürsten für
schwarze Kleidung hielt auch im 16. Jahrhundert an. Dazu trugen zum einen nicht unwesent-
lich die Reformatoren bei, deren protestantische Ethik an der im 15. Jahrhundert begründeten
>Farbmoral< festhielt und so schwarze Kleidung einmal mehr aufwertete. Zum anderen ge-
langte diese Mode zugleich über die spanische Etikette erneut an die europäischen Fürsten-
höfe, denn der spanische Hof, der ebenfalls vom burgundischen Hof die schwarze Kleidung
übernommen hatte und um die Mitte des 16. Jahrhunderts zum neuen Modezentrum aufstieg,
setzte das Tragen schwarzer Kleidung fort. Pastoureau, Vers une histoire sociale des couleurs,
1989, S. 35.
334 Pastoureau, Vers une histoire sociale des couleurs, 1989, S. 35.
335 Siehe unten S. 253-254.
336 Dies gilt etwa für die Hoforganisation. Vgl. Paravicini, The Court of the Dukes of Burgundy,
1991, S. 92-102. Für höfische Feste ist der angenommene burgundische Einfluß widerlegt:
Spieß, Höfische Feste, 2001; daran anschließend auch Paravicini, Deutsche Adelskultur und
der Westen, 2002, S. 465-466.
337 Pastoureau, Vers une histoire sociale des couleurs, 1989, S. 35; vgl. auch Mira, Influssi franco-
borgognoni in Piemonte, 2006.
 
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