Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Müller, Karl Otfried [Editor]; Wieseler, Friedrich [Oth.]
Denkmäler der alten Kunst (Band 2: Text) — Göttingen, 1877

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5924#0123

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Fortsetzung

der mythologischen Reihe von Bildwerken die olympischen Götter betreffend.

6. Artemis (Diana), Fortsetzung. Hdb. d. Arch.

§. 364. [365.]

Taf. XVI. n. 167. Artemis aus dem Palast Colonna, in dem
KönigL Museum in Berlin. Sie eilt als Licht und Leben ge-
währende Göttin herbei, und trug' wahrscheinlich in beiden
vorgestreckten Händen Fackeln. [Der Kopf dieser mit riecht
gepriesenen, „echt Griechischer Erfindung am nächsten ste-
henden" Statue, rücksichtlich dessen schon Hirt „Bilderb. f.
Mythol." u. s. w., S. 39, und H. Meyer zu Winckelmann's Wer-
ken Bd. IV, S. 341, Anm. 334 bemerkten, dass er alle anderen
der Diana an Schönheit übertreffe, ist bei aller Anmuth von so
„kaltem und strengem" Ausdruck, dass man die Figur mit einer
schönen Eumenide verglichen hat. Feuerbach stellt sie in den
Nachgel. Schriften HI, S. 129, mit der auf Taf. XV, n. 162,a,
zusammen, deren Stellung zeige, dass sie eben einen tödtlichen
Pfeil von der Sehne geschnellt habe. Friederichs („Praxiteles"
S. 99 fg.) meint, dass die in massig eilender Bewegung befind-
liche und den Blick ziellos in die Ferne richtende Figur, eben-
sowohl wie in jeder Hand eine Fackel, in der Linken den Bo-
gen, in der Rechten eine Fackel getragen haben könne.
Pyl (im Rhein. Mus., N. F., Jahrg. XIV, 1859, S. 142 fg.)
denkt zunächst daran, dass die Göttin so eben den Köcher
geschlossen haben könne und die rechte Hand zurückziehe, so
dass diese Hand ohne Attribut gewesen sei, die linke dagegen
eine gesenkte Fackel gehalten habe; neigt sich aber dann
dahin, der Figur einen Lorbeerzweig in die Rechte zu geben.
Mit Müller stimmt zumeist überein Kekule Akadem. Kunstmus.
zu Bonn S. 52, n. 210: „die Hände hielten vermuthlich Fackeln
oder Fackel und Bogen. Der Köcher ist geschlossen, die Göt-
tin also als gnädig und friedlich gedacht."— Was zunächst die
Hände anbetrifft, so bezeichnet Conze, der auf unser Ersuchen
das Original aufs neue geprüft hat, als ganz sicher stehend,
dass die rechte offen war, Nichts hielt; bezüglich der linken
aber das Umgekehrte statthabe. Dass diese geschlossen war,
Etwas hielt, das zeigen die eingebogenen antiken Knöchel-

gelenke der zwei kleinsten Finger; um welchen Gegenstand
es sich aber gehandelt habe, - um eine aufrecht gehaltene Fa-
ckel oder um einen Bogen — denn nur zAvischen diesen bei-
den ist die Wahl gelassen — offenbar das sei ohne die Hand
ab- und auseinanderzunehmen, nicht zu erkennen; das sicht-
bare Bogenstück sei neu. Hinsichtlich des Köchers aber, über
welchen Pyl berichtete, dass die „obere Seite" desselben re-
staurirt sei, erfahren wir durch Conze, dass der ganze obere
Theil desselben, obwohl angesetzt, antik und an einem ge-
schlossenen Köcher nicht zu zweifeln sei, was mit Friederichs'
Angabe, der sich später auch Gerhard anschloss, ganz über-
einstimmt. Schon im Text zur zweiten Ausgabe haben wir
uns für die Annahme entschieden, dass die Rechte der Statue
ohne Attribut gewesen sei, die Linke aber den Bogen gehalten
habe. Das Erstere steht jetzt fest. Für das Andere lässt
sich zunächst der äusserliche Grund veranschlagen, dass der
Ergänzer, welcher doch sicherlich ein Ueberbleibsel des von
der Figur in der Linken gehaltenen Gegenstandes vorfand,
dieses auf einen Bogen bezog. Gegen Müllers und Kekule's
Auffassung der Statue spricht entschieden der Gesichtsausdruck
derselben. Meyer bezeichnete die Figur als „göttlich erhaben,
ohne Theilnahme; eine leise Andeutung von Stolz und Sprödig-
keit hebe oder vielmehr erhebe das Gleichgültige ihres Cha-
rakters." Der geschlossene Köcher beweis't nur, dass die
Göttin weder eben vor dem dargestellten Augenblicke geschos-
sen hat, noch im Begriff ist zu schiessen. Dieses folgt auch aus
dem schon von Meyer bemerkten Umstände, dass die Göttin
„grade vor sich über alle näheren Gegenstände weg in die
Ferne hinschaut." Der geschlossene Köcher und der ziellose
Blick sprechen, wie schon Friederichs richtig geurtheilt hat,
auch gegen Feuerbachs Zusammenstellung und gemeinsame
Deutung der Artemis Colonna und der Vaticanischen Statue
unt«1 n. 162, a. Diese erscheint in den Abbildungen, welche
einen Köcher sehen lassen, auch in denen nach der neueren
Restauration, mit geöffnetem Köcher. So anch die ihr zunächst
stehende aus der Villa Albani. Wenn nun auch in Betreff
jener Gründe vorhanden sind, welche glauben machen, dass

30
 
Annotationen