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Paulus, Eduard [Hrsg.]; Württemberg / Statistisch-Topographisches Bureau [Hrsg.]
Beschreibung des Königreichs Württemberg (Band 60): Beschreibung des Oberamts Balingen: mit fünf Tabellen, einer geognostisch kolorirten Karte des Oberamts und drei lithographirten Ansichten — Stuttgart, 1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.12697#0483
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Oustmettingen.

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Vorliebe mit mnthematischen Studien und mechanischen Arbeiten
beschästigte nnd schon damals im Verein mit dem Schulmeister

welche von meinem vorigen Wohnort, der im Unterlande in einer mil-
deren Gegend lag, ganz verschieden war; da die Menschen andere
Kleidung, Anssprache nnd Gervohnheiten hatten; da ich nene Gattnngen
von Bäumen, Pslanzen nnd Blumen sah; da ein Bergrncken, wo sich
die tiefe niedrige Gegend von der höhern schied, eine Liertelstunde
lang gespalten und an einer ebenen Gegend eine tiefe unterirdische
Höhle war, in die man eine Vierlelstnnde weit gehen konnte; da ein
starker Bach zn gewissen Zeiten aus einer Wiesenebene schnell hervor-
quoll und zn andern Zeiten wieder ganz anshörte — dies alles, nebst
der reineren Luft, die man in dieser höheren Gegend athmete, erquickte
mich östers . . Der alte Schulmeister Schaudt in O. hatte einen
Enkel, der ein zn allen Künsten begieriger und fähiger Kops war; mit
diesem hatte ich manche vergnügte Stunde, indem wir mit einander
allerhand Gaitungen von Sonnenuhren machten, wozu ich bisher noch
immer den Nachmittag anwandte. Wir betrachteten Nachts die Sterue
und lernten sie nach der Sternkarte kennen: denn ich hatte selbst noch
im Unterlande ein vaar gezeichnet und zur Auflösung verschiedeuer
Aufgaben eingerichiet. Wir malten, lackirten und machten vuch Steru-
und Monduhren. Jn meiner Nachbarschaft war ein Pfarrer Namens
Simon, ein Mathematiker, welcher Wolfs Illewentn ZIutb68608 besaß.
Ich entlehnte sie, band mir selbst ein Buch von weißem Papier ein,
malte das Bildniß Wolfs mit Tusch ab, machte einen Auszug aus den
Ill61N6Ntl8 uritIilN6tl6N6, A60ill6tr1u6 und Ullkl1^8608 und auch aus
den dentschen Anfangsgründen, aus der Optik, Katoptrik, Perspektiv,
Dioptrik und Astronomie, weil ich nicht im Stande war, solche Bücher
zu kausen . . . Als ich einstmals in den Ferien zu Hause war, schrieb
der damalige Oberamtmann in Balingen an mich und sragte an, ob
ich nicht an ihren Kirchthurm eine Sonnenuhr zeichnen wollte. Jch
nahm den Antrag an und fertigte solche in einem Hängegerüst, durch
Hilfe der mir nmergebenen Handlanger aus. Als es aufs Bezahlen
ankam, wollte ich mit Wenigem vorlieb nehmen; aber auch da sorgte
Gott sür mich, daß mir 30 fl. dasür ausbezahlt wurden. So reich
war ich noch nie. kleber eine andere Vakanz vikarirte ich eine Zeil
lang bei einem benachbarten Psarrer in Pfefsingen, welcher drei Filiale
hatte. Da die Uhren so ungleich gingen, wenn er in diesen Orten zur
Predigt ankam, so ließ er mich an jedem Orte eine einsache Sonnen-
uhr an die Kirche zeichnen, für deren jede er mir einen Gulden gab,
so daß ich damals reich nach Tübingen zurückkam . . . Jn den Ferien
hielt ich mich zu Hause auf und legte mich in dieser Zeit in Gemein-
schaft des Provisors Schaudt, dessen ich oben schon gedachte, aufs
Glasschleifen nnd machte mit vieler Mühe, weil ich alles selbst suchen
und lernen mußte, einige Fernröhre nnd Mikroskope . . . Nun war
ich in meinem zwanzigsten Jahre Magister uud glaubte mehr Gelehr-
samkeit zu besitzen als vorher. Zwei Monate hierauf versuchte ich
meine erste Predigt iu Oustmettingeu, am Thomastage. Sie gelang
nach vieler Vorbereitung und Augst, so daß ich Beisall von den Zü-
hörern hatte. Die ledigen Söhne im Ort sandten eiue Deputation an
 
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