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Rechte, trotz vorhandener Beschädigungen, Platon erkannten. Aber alle jene
Köpfe, selbst der beste im Vatican, dem ein gewisser Anflug von Eleganz nicht
abzusprechen ist, sind mehr oder weniger geringe Dutzendarbeiten der römischen
Zeit und trotz ihrer unzweifelhaften Zusammengehörigkeit so verschiedenartig
im Ausdruck, dass man mehr eine Summe einzelner Merkmale als ein festes
Bild erhält. Es ist, als wenn man die Züge von Schiller und Goethe lediglich in
der Marktware unserer kleinen Gips- oder Bisquitbüsten besäße. Man wird
geduldig weiter beobachten und suchen müssen, bis einmal ein Glücksfund
wie der Sophokles des Lateran ein durchschlagendes Kunstwerk schenkt, das
den Typus eindrücklich und für immer feststellt.
Erheblich mehr als das Bisherige würde ein Marmorkopf bieten, der aus
dem Besitze eines athenischen Kunsthändlers kürzlich in die Wiener Sammlung
übergieng, wenn er rein erhalten wäre. Leider ist er aber mannigfach verletzt und
befleckt, was sich im Lichtbilde auf Tafel IV empfindlich störend verstärkt, so
dass nur eine genaue Betrachtung des Marmors selbst oder eines Gipsabgusses
einen hinlänglichen Begriff des Ursprünglichen vermittelt. Er hat eine Llöhe
von fünfzehn Centimetern, annähernd also halbe Lebensgröße. Der Marmor ist
kleinkrystallinisch und zeigt jenen bräunlich warmen Ton, welcher attischen
Marmorsculpturen so oft eigen ist. Attisch aus vorrömischer Zeit ist auch die
Arbeit, die im ganzen wie im einzelnen Sorgfalt und Feingefühl verräth. Sie
erinnert sofort an Grabstelen des vierten Jahrhunderts, ist aber entschieden aus-
führlicher und zugleich minder frisch, wie gebunden durch eine Vorlage, der sie
behutsam bis ins kleinste zu folgen scheint. Von allen Seiten gibt sie eine knappe,
eng geschlossene Silhouette; die Modellierung des Fleisches sieht wie gezeichnet,
das Llaar wie graviert aus: ein Sachverhalt, den auch Fig. 137 vergröbert, in
der namentlich das Relief der Locken beträchtlich stärker hervortritt. Unver-
kennbar durchaus ist die bescheidene, sanfte Vortragsweise, die einen specifischen
Reiz attischer Sculpturen ausmacht, und ich entdecke nichts, was dazu nöthigen
würde, einen erheblichen Zeitabstand von dem vorausliegenden Originale anzu-
nehmen.
Zwei quer über den ganzen Nacken laufende Hautfalten beweisen, dass der
Kopf in stark gebückter Haltung aufsaß und von eher einer Statuette als einer
liegen sah; erhalten war nur die rechte Gesichts-
hälfte und auch diese verletzt; bei späteren Besuchen
habe ich es nicht wiedergefunden, auch kürzlich ist
es nach meiner Skizze umsonst gesucht worden;
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. II.
Heydemann und von Sybel scheinen es in ihren
Katalogen nicht aufzuführen. Unveröffentlicht ist ein
Relief der Galleria delle statue, von Helbig, Führer
I2 119 n. 200, früher auf Platon bezogen.
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Rechte, trotz vorhandener Beschädigungen, Platon erkannten. Aber alle jene
Köpfe, selbst der beste im Vatican, dem ein gewisser Anflug von Eleganz nicht
abzusprechen ist, sind mehr oder weniger geringe Dutzendarbeiten der römischen
Zeit und trotz ihrer unzweifelhaften Zusammengehörigkeit so verschiedenartig
im Ausdruck, dass man mehr eine Summe einzelner Merkmale als ein festes
Bild erhält. Es ist, als wenn man die Züge von Schiller und Goethe lediglich in
der Marktware unserer kleinen Gips- oder Bisquitbüsten besäße. Man wird
geduldig weiter beobachten und suchen müssen, bis einmal ein Glücksfund
wie der Sophokles des Lateran ein durchschlagendes Kunstwerk schenkt, das
den Typus eindrücklich und für immer feststellt.
Erheblich mehr als das Bisherige würde ein Marmorkopf bieten, der aus
dem Besitze eines athenischen Kunsthändlers kürzlich in die Wiener Sammlung
übergieng, wenn er rein erhalten wäre. Leider ist er aber mannigfach verletzt und
befleckt, was sich im Lichtbilde auf Tafel IV empfindlich störend verstärkt, so
dass nur eine genaue Betrachtung des Marmors selbst oder eines Gipsabgusses
einen hinlänglichen Begriff des Ursprünglichen vermittelt. Er hat eine Llöhe
von fünfzehn Centimetern, annähernd also halbe Lebensgröße. Der Marmor ist
kleinkrystallinisch und zeigt jenen bräunlich warmen Ton, welcher attischen
Marmorsculpturen so oft eigen ist. Attisch aus vorrömischer Zeit ist auch die
Arbeit, die im ganzen wie im einzelnen Sorgfalt und Feingefühl verräth. Sie
erinnert sofort an Grabstelen des vierten Jahrhunderts, ist aber entschieden aus-
führlicher und zugleich minder frisch, wie gebunden durch eine Vorlage, der sie
behutsam bis ins kleinste zu folgen scheint. Von allen Seiten gibt sie eine knappe,
eng geschlossene Silhouette; die Modellierung des Fleisches sieht wie gezeichnet,
das Llaar wie graviert aus: ein Sachverhalt, den auch Fig. 137 vergröbert, in
der namentlich das Relief der Locken beträchtlich stärker hervortritt. Unver-
kennbar durchaus ist die bescheidene, sanfte Vortragsweise, die einen specifischen
Reiz attischer Sculpturen ausmacht, und ich entdecke nichts, was dazu nöthigen
würde, einen erheblichen Zeitabstand von dem vorausliegenden Originale anzu-
nehmen.
Zwei quer über den ganzen Nacken laufende Hautfalten beweisen, dass der
Kopf in stark gebückter Haltung aufsaß und von eher einer Statuette als einer
liegen sah; erhalten war nur die rechte Gesichts-
hälfte und auch diese verletzt; bei späteren Besuchen
habe ich es nicht wiedergefunden, auch kürzlich ist
es nach meiner Skizze umsonst gesucht worden;
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. II.
Heydemann und von Sybel scheinen es in ihren
Katalogen nicht aufzuführen. Unveröffentlicht ist ein
Relief der Galleria delle statue, von Helbig, Führer
I2 119 n. 200, früher auf Platon bezogen.
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