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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Hartmann, Martin: Über einige Anlagen und Bauwerke Jarkends (Chinesisch Turkestan)
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0037

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Über einige Anlagen und Bauwerke Jarkends
(Chinesisch Turkestan).
Von Martin Hartmann-Berlin.
Mit 12 Abbildungen auf 2 Tafeln (V—VI).

eines zweimonatigen Aufenthal-
Jarkend konnte ich zahlreiche
chten über die Stadt sammeln.
Zugleich machte Elisabeth Hartmann, die mich
auf der Reise begleitete, von den Hauptdenkmälern
Aufnahmen. Ich hatte bereits in meinem Werke
„Ein Heiligenstaat im Islam: Das Ende der Ca-
ghataiden und die Herrschaft der Chodschas in
Kaschgarien“ (Islam. Orient I) Jarkend mehrfach zu
erwähnen Gelegenheit und behandelte es auch in
meiner systematischen Arbeit „Chinesisch Turke-
stan“ (Angewandte Geographie III, 5. Halle a. S.
1908).
Aus der Geschichte Jarkends erwähne ich als
wichtig zum Verständnis der hier behandelten
Bauten nur folgendes:
Jarkend galt zur Zeit der späteren Dschagha-
taiden und während der Chodscha-Herrschaft als
„Hauptstadt Moghulistans“ (Chin. Turk. 206 nach
dem tezkirei "aztzän) und war der Mittelpunkt des
wahnsinnigen Treibens der Chodschas, das äußer-
lich eine einseitige Züchtung von Frömmigkeit
und gottseligem Leben, in Wirklichkeit eine rück-
sichtlose Ausbeutung des Landes zugunsten der
heiligen Dynastie und der Heuchler in ihren Diensten
darstellt. Der Geist lebte noch nach der chine-
sischen Eroberung des Landes (1756) fort und lebt
heute noch. Der Unterschied ist nur, daß die
kraftvollen Persönlichkeiten, die sich in jenem
Hause fanden, den religiösen Gedanken, auf die
sie sich stützten, äußerlich große Formen zu
schaffen suchten im Kult und seinem Zubehör,
wie Gotteshäuser und Schulen. Später wurde das
seltener, und heute befindet sich alles in trost-
losem Verfall.
1. Vom Tunganen-Friedhofe* 1 in Jarkend, der
1 Ich rolle hier nicht die ganze Tunganenfrage auf,
möchte aber nicht versäumen, eine Tatsache hervorzuheben,
die, soweit mir bekannt, bisher nicht bemerkt wurde: Tun-
(gan) entspricht etymologisch dem dön(tne) der Osmanlis.
Diese bezeichnen mit clönme einen „Zurückgekehrten“
(zum wahren Glauben, denn alle Menschen sind ja als

etwa 20 Minuten westlich vom nördlichen Tore
der Stadt, dem Terektore1, und etwa 10 Minuten
außerhalb der Stadtmauer liegt. Abb 1 (Taf. V) das
Tor des Friedhofes mit folgenden Inschriften2: oben
rechts ja abi wajä umntt wajä walad [so] wajä
acht „o mein Vater und o meine Mutter und o
[mein] Sohn und o mein Bruder!“; in der Mitte
allähumma ughfur limaijitinä walmumiriln wal-
miiminat „o Gott! verzeihe unserm Toten und
den gläubigen Männern und Frauen“; links arha-
mu mautakum assadaqatu waddiia „das Barm-
herzigste [das am meisten Gottes Erbarmen Wir-
kende] für eure Toten ist das Almosen und das
Beten“ Auf den stark verwischten Feldern der
Seitenpfosten waren die Spuren von Landschafts-
malerei in chinesischem Stile zu erkennen. — Abb. 2.
Das Grab des früheren Tunganen-Aksakals (Schang-
Muslime geboren und werden nur durch die Eltern zu
Christen und Juden gemacht), im besonderen nennt man
die Muslime Saloniks, die jüdischen Ursprungs sind, Dönme.
So werden auch die chinesischen Muslime tungan, das
ist eben dönme, genannt, weil sie von ihrer Religion ab-
gefallen und zum Islam übergegangen sind. Sie selbst
wollen diesen Namen nicht hören, ebensowenig wie hui
hui und nennen sich pei chang „Weißbünde“ (weißen
Turban Tragende). Einen Unterschied unter den Muslimen
Chinas zu machen und den Namen „Tungan“ etwa auf die
Muslime Kansus zu beschränken, liegt kein Anlaß vor, ich
habe auch solche Beschränkung nicht bemerkt Die Feind-
schaft, die zwischen den Türken Turkestans und den Tun-
ganen herrscht, zeigt, wie es um die al'urwa alwutqa
steht, durch die der Islam alle Völker verbinden soll: das
nationale Element ist stärker (vergleiche den wütenden
Haß zwischen Arabern und Türken und die auf nationalem
Dünkel beruhenden Kämpfe von Muslimen gegen Muslime
in Südarabien).
1 Ritter 7, 393 nennt das Tor Yerekbaghtor (nach
Mir Tzzetulläh, der Jarkend 1812 besuchte), jedenfalls ver-
schrieben für Terekbagh; doch halte ich das einfache Terek
für richtiger als Terekbagh; die Bezeichnung „Pappelgarten“
ist nicht wahrscheinlich.
2 Die Schrift zeigt den Duktus, der den Tunganen
eigentümlich ist, siehe über ihn mein „Zwei islamische
Kantondrucke“ (in Islam. Orient I). Charakteristische
Proben finden sich auch in dem Berichte d’Ollone’s Rev.
Monde Mus. 1909.


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