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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Krygowski, T.: Polenteppiche (Polnische Knüpfteppiche)
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0152

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Polenteppiche (Polnische Knüpfteppiche).
Von T. Krygowski-Lemberg.
Mit 7 Abbildungen im Text.
II.

nfangs suchten die Mongolen fremde
Länder zu erobern, um die Grenzen
ihres Staates zu erweitern, doch ändert
sich bald ihr Ziel. Sie kommen nur, um zu
plündern und Beute zu machen.
Die Mongolen lebten in freundschaftlichem
Verkehr mit dem Fürstentume Moskau, ein Ver-
hältnis, das oft Ehebündnisse und Übertritte zum
Christentum zur Folge hatte.
Indessen haben die Fürsten Giedymin und
Olgierd in Litauen mehrmals die Mongolenmacht
gebrochen. Überhaupt kommt jetzt die Zeit, wo
das Abendland aus der Verteidigerrolle heraustritt
und zum Angriff übergeht.
In der goldenen Horde entstehen zahllose
Zerwürfnisse und Palastverschwörungen. Jeder
der Chane will mächtiger sein, als sein Nachbar,
ein jeder strebt nach Unabhängigkeit.
Das Erscheinen Timurs wirft auch seine Kreise
nach Osteuropa. Timur, aus dem Stamme Tscha-
gatai, drang in die Besitztümer der Goldenen
Horde und weiter in das nördliche Slavenland
bis zur Wolga vor, das ganze Land und Reich
Baty’s „dem fürchterlichen Vernichtungswinde“ —
so sagen die Chroniken — „preisgebend“. Es
schien, als ob Kiptschak und die Goldene Horde
vernichtet seien. Aber nach dem Verschwinden
Timurs ist dieselbe nicht völlig vom Schauplatze
abgetreten.
Um diese Zeit wird Polen mit Litauen ver-
einigt; auf den Thron des litauischen Großfürsten-
tums steigt Witold, vom Könige Jagiello zum
Großfürsten ernannt. Er hat tatsächlich die Macht
der Mongolen in Europa gebrochen und das Joch
der Chane abgeschüttelt. Allmählich wurde er die
maßgebende Person im ganzen Reiche der gol-
denen Horde. Sogar Tochtamysch flüchtet jetzt,
verfolgt von Timur, nach Kiew. Witold hatte ihm
versprochen, er werde ihm wieder zur Herrschaft
verhelfen. Denn er vermeinte, daß er sich da-
durch den Weg nach dem Innern Asiens bahnen
und Timur selbst besiegen könne. Witold schob
seine Heerestruppen gegen Timur bis nach

Worskla vor, wo ihm der im Kampfe ergraute
Feldherr Timurs, Edyga, entgegentrat. Es kam
hier zwischen beiden im Jahre 1399 zu einem
mörderischen Kampfe, in dem Witold aufs Haupt
geschlagen wurde. Seit dieser Zeit hat Edyga
wiederholt Angriffe gegen Litauen gerichtet. Er
äscherte Kiew ein und entführte viel Gut und
viele Menschen. Aber anderseits hat auch Witold
Streifzüge nach Kiptschak gemacht und dort an
Einfluß gewonnen. Die kleinen Chanate, die das
große Chanat von Kiptschak bildeten, wurden
zum Schaden der Eintracht und Macht der Gol-
denen Horde immer unabhängiger; so entstanden
die selbständigen Chanate von Kazan, Astrahan,
Krim.
Beweise einer vollkommenen Abhängigkeit der
Goldenen Horde von Witold sind noch erhalten.
Wir finden nämlich Münzen, welche von den
Chanen geschlagen wurden, auf denen die Wap-
pen Witolds sowie auf der einen Seite die latei-
nischen Inschriften und auf der anderen die ara-
bischen zu sehen sind (siehe die Abb. 38—41).
Die Machtsphäre des Großfürsten Witold
stieg immerfort und war in der Zeit 1406—1430
am bedeutendsten.
b) Die Vermischung mongolischer und
polnischer Bevölkerung.
Als die Macht der Mongolen in Mittel-Asien
erlahmte, zogen ganze Scharen mongolischer Fa-
milien und Stämme nach Polen, eine Einwande-
rung, die ganze Jahrhunderte dauerte. Anfangs
wurden die Mongolen in strenger Unterwürfig-
keit gehalten, aber im Laufe der Zeit wurde ihre
Stellung eine immer freiere, und dies umsomehr,
je öfter sie ihre Zuneigung für ihr neues Vater-
land mit ihrem Blute besiegelten. So sind all-
mählich Tausende von Mongolen-Familien in der
sie umgebenden polnischen Bevölkerung aufge-
gangen. Namentlich auch viele ritterliche und
sogar fürstliche Familien der Mongolen haben
durch Einheirat sich mit dem polnischen und


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