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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Arne, T. J.: Ein persisches Gewichtsystem in Schweden
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0168

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Ein persisches Gewichtsystem in Schweden.
Von T. J. Arne-Stockholm.
Mit 17 Abbildungen auf 1 Tafel (XIX).

fn einer schwedisch geschriebenen Abhandlung
über die Verbindungen Schwedens mit dem
Oriente in der Wikingerzeit (Fornvännen,
1911, H. 1—2, Stockholm 1911) habe ich darauf
hingewiesen, wie zahlreiche Gegenstände vom
persischen Gebiete, oder wenigstens im persischen
Stile und im Chazaren- oder Bulgarenlande nach-
geahmt, über Rußland nach Schweden in der
Wikingerzeit gelangt sind. Dasselbe scheint auch
mit dem damaligen, in Schweden sowie östlich
des Baltischen Meeres benutzten Gewichtsysteme
der Fall gewesen zu sein.
In zahlreichen Funden aus der Wikingerzeit
und dem ältesten Mittelalter Schwedens sind Wag-
schalen mit zusammenlegbaren Balken und Ge-
wichte aus Eisen, bronzebekleidetem Eisen, Bronze
oder Blei angetroffen worden.
Ich kenne gegenwärtig aus schwedischen
Provinzen eine Anzahl von 32 Wagen mit zu-
sammenlegbaren Balken, ganze oder fragmenta-
rische, nämlich von Gotland 9, von Öland 2,
Skäne 1, Blekinge 1, Smäland 3, Bohuslän 1, Upp-
land 7, Gestrikland 4, Jämtland 2 und von un-
bekannen Fundorten 2. Einige ähnliche Wagen
derselben Zeit wurden in Norwegen, Dänemark
(1 fragmentarische), Mecklenburg, Schlesien und
Ostpreußen1 gefunden. Mehrere sind von Fin-
land bekannt und gegen 20 von Kurland, Liv-
land und Estland2. Tief in Rußland findet man
sie3, und noch im 13. und 14. Jahrhundert standen
sie im Gebrauch bei den Tataren, wie aus
Funden hervorgeht, die man 1843—1849 bei den
Ausgrabungen in Sarai an der unteren Wolga, der
Hauptstadt der Goldenen Horde, machte. Einige
Forscher nehmen an, daß diese Wagen römischen
Ursprunges sind, jedoch ohne Beweise für diese

1 A. Bezzenberger, Analysen vorgeschichtlicher
Bronzen Ostpreußens. Königsberg 1904, S. 99.
2 J. Sachssendahl, Das Gewichtssystem des 11.
und 12. Jahrhunderts in Liv-, Est- und Curland
(Sitzungsbericht der gelehrten estnischen Gesell-
schaft 1903. Jurjew 1904).
3 Z. B. bei Onezdowo in der Nähe von Smolensk, bei
Wladimir und in dem Kamatale bei dem Dorfe Kotscha.

Ansicht anführen zu können. Mit größerer Wahr-
scheinlichkeit kann man ihnen einen östlichen
Ursprung zuschreiben. In einer Bazarszene aus
dem abbasidischen Bagdad, in einer Miniatur
eines Hariri-Manuskriptes von 1237 dargestellt1,
sieht man eine Wage ähnlichen Aussehens (ob
zusammenlegbar, ist nicht zu sagen). Die Ver-
breitung dieser Wagen und die Zeit ihres Auf-
tretens in Europa spricht für ihre östliche Ab-
stammung. Gewiß können mehrere — den öst-
lichen Vorbildern nachgebildet — einheimisches
Fabrikat sein.2
Von Gewichten aus der Wikingerzeit kommen
in Schweden vier verschiedene Typen vor, nämlich
die gewöhnlichen kugelförmigen oder fast kugel-
förmigen mit abgeplatteten Polen, aus Bronze
oder öfter bronzebekleidetem Eisen, weiter die
niedrigen zylindrischen aus Blei, dann Gewichte
aus Eisen mit einer Öse oder einem Griffe oben,
und schließlich kleine, fazettierte, kubooktaedrische
Bronzegewichte, die mit den erstgenannten zu-
sammen angetroffen werden.
Über den Ursprung dieser Gewichte und über
das System, wozu sie gehören, sind verschiedene
Ansichten ausgesprochen worden. Der finn-
ländische Physiker Hällström3 meinte, daß sie
„dem russischen von den Byzantinern über-
nommenen Solotniksystem“ angehören. Sachssen-
dahl4 glaubt zwei Gewichtsysteme unterscheiden
zu können, beide römischen Ursprunges. Das
eine wichtigere dieser beiden Systeme muß nach
der Meinung Sachssendahls aus dem Ende der Re-
publik oder dem Anfänge der Kaiserzeit stammen,
auf jeden Fall aus der Zeit vor Nero. Das fragliche
System besitzt als Einheit ein älteres römisches
1 C. Brockeimann, Der Islam von seinen Anfängen
bis zur Gegenwart, S. 191 (Ullsteins Welt-
geschichte.)
2 Vgl. Thomas Ibel, Die Wage im Altertum und
Mittelalter. Erlangen 1908.
3 Hällström, in Acta Societatis Scientiarum
Fennicae, Vol. 1, 2. Helsingfors 1841, 43.
4 J. Sachssendahl, Das Gewichtssystem des 11.
und 12. Jahrhunderts in Liv-, Est- und Curland
(Sitzungsber. der gelehrten estn. Gesellsch. 1903. Jurjew 1904).

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