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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Brandt, M. v.: Das chinesische Glas
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0113

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Das chinesische Glas.

Von M. von Brandt-Weimar.

Mit 19 Abbildungen auf 2 Tafeln (XIV—XV).

*e ä^eren Ausgaben des „Führers durch
wXul die Sammlung des Kunstgewerbemuse-
ums in Berlin“ enthielten unter „Chine-
sisches Glas“ die Bemerkung: „Die Kenntnis von
der Vollkommenheit des chinesischen Glases ist
erst durch diese von Herrn von Brandt angelegte
Sammlung nach Europa gekommen“. In dem
neueren „Führer“ ist diese Bemerkung fortge-
fallen, ich glaube mich aber trotzdem auf sie be-
rufen zu dürfen, da ich sie gewissermaßen als
die Legitimation betrachte, mich mit der Frage
eingehender zu beschäftigen. Ich selbst bin auf
das chinesische Glas, obgleich ich seit 1875 in
Peking geweilt hatte, erst 1878 bei einem Aufent-
halt in London aufmerksam geworden. Dort
sah ich in einem Museum eine gelbe Flasche,
meiner Ansicht nach aus undurchsichtigem
Glase, ausgestellt, die auf einem beigegebenen
Zettel als „Imperial Chinese Enamel“1 bezeichnet
war. Ferner enthielt der Zettel den Namen des
früheren glücklichen Besitzers und die Angabe
des für den Gegenstand gezahlten Preises,
£ 50.—. Bei meiner Rückkehr nach Peking 1879
nahm ich die Frage des chinesischen Glases auf,
und es gelang mir in kürzester Zeit, die Samm-
lung zusammenzubringen, die sich heute zum
größten Teile im Kunstgewerbemuseum befindet.
Und zu wahrhaft lächerlich niedrigen Preisen,

1 Es ist immerhin interessant, daß sich auch in Dr.
Stephen W. Bushell’s vortrefflichem Buche, „Chinese Art“
(London, Wyman and Sons, 1906), im Kapitel Glas, unter
No. 76 die Abbildung einer durchaus archaistisch gehal-
tenen Vase befindet, die als „Gelbe aus Email wie
dieselbe in der Kaiserlichen Porzellanfabrik gebraucht
wird, geformte Vase“ bezeichnet wird. Dieselbe wird
als von der Pariser Welt-Ausstellung 1867 stammend und
der Preis auf £ 48.— angegeben. Ich habe später wieder-
holt einfarbige dickbäuchige Flaschen und schöne Teller
und Tassen, meistens in fünf verschiedenen Farben und
darunter auch gelbe gekauft, ohne daß mir eine ähnliche
Herkunft oder Verwendung für das Material, aus dem
dieselben bestanden, angegeben worden wäre. Ich kann
daher nur annehmen, daß es sich bei den so bezeich-
neten Gegenständen um einen Kunstkniff der chine-
sischen Händler zur Erzielung besserer Preise gehandelt
haben möge.

denn ich hatte den Mund gehalten und daher
auch keine Konkurrenten auf dem Pekinger An-
tiquitätenmarkt gehabt, bis ich beinahe alles ge-
kauft hatte, was sich auf demselben befand oder
innerhalb der ersten Jahre herbeigeschafft werden
konnte.
Ehe ich auf die Art der Fabrikation des
chinesischen Glases wie auf die künstlerische
Seite der Frage näher eingehe, will ich ver-
suchen, das Bekannte über die Herkunft des
Glases und die Namen, unter denen es bekannt
ist, wiederzugeben. Liao ist heute die gewöhn-
liche Bezeichnung für undurchsichtiges Glas,
auch die im Zolltarif gebrauchte; Po-li für durch-
sichtiges, sogenanntes weißes Glas oder leicht
gefärbtes und Liu-li für den vitrösen Überzug
von Thonwaren oder das dünne, sogenannte
elastische Glas der Chinesen. In alten Zeiten
werden meistens Po-li für das ganz oder nahezu
farblose, Liu-li für das undurchsichtige Glas, mit
Einschluß der farbigen Glasuren gebraucht. In
älteren chinesischen Büchern wurden die Wörter
auch benutzt um Obsidian, Amethyst, Bergkristall
und verschiedene Halbedelsteine, z. B. Lapis-
lazuli zu bezeichnen. Nach Dr. Bushell würden
beide Wörter aus dem Sanskrit stammen und
zwar Po-li, auch poti geschrieben, von dem
Sanskritwort sphatika, das ursprünglich Berg-
kristall bedeutet zu haben scheint, während
liu-li, das aus pi oder fei-liu-Io zusammengezogen
ist, eine Transliteration von vaiduru sein soll,
dem Sanskritwort für Lapis-lazuli. Dr. Friedrich
Hirth in „Chinesische Studien“ (G. Hirths Verlag,
München und Leipzig, 1890) führt in dem
Kapitel: „Zur Geschichte des Glases in China,“
an, daß der bekannte Sinologe S. Wells Williams
in seinem „Syllabic Dictionary“ po-li mit dem
portugiesischen vidro in Zusammenhang bringe,
während er selbst dahin neigt, den alten Namen
pa-lio-li (alter Laut beluli) von dem zentralasia-
tischen bolor und belur abzuleiten, das in einer
ganzen Anzahl dieser Sprachen bald Kristall,
bald Glas bedeutet. Wenn so auch die An-
sichten über die Abstammungen der chinesischen

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