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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Kurth, Julius: Meisterinnen des japanischen Holzschnittes
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0061

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Meisterinnen des japanischen Holzschnittes.
Von Julius Kurth-Berlin.
Mit 6 Abbildungen auf 1 Tafel (IX).

UfiWig ie Frau nahm in Japan nicht die ihr
zukommende soziale und kulturelle Stel-
jRäajn lung ein. Selbst die Ehefrau war ihrem
Gatten gegenüber ziemlich rechtlos; der ge-
ringfügigste Grund genügte dem Manne, um
sie zu verstoßen. Ob es noch heute so ist,
entzieht sich meiner Kenntnis. Das hinderte aber
durchaus nicht, daß der Japaner zu allen Zeiten
den Reizen des Weibes begeisterte Huldigungen
darbrachte, wie sie sich nur mit den Galan-
terien unserer Minnesängerzeit vergleichen
lassen. Und nicht etwa nur seinen sinnlichen
Reizen, sio sehr sie auch im Vordergründe stan-
den: wir besitzen auch Hohelieder der Treue,
des Fleißes und aller anderen Tugenden edler
Frauen des Libelleneilandes. Es hinderte auch
keineswegs die geistige Entwicklung des
Weibes. Zu allen Zeiten und in allen Stän-
den und Berufsklassen blühte auf dem nieder-
getretenen Boden der Weiblichkeit die Blume
der Kunst auf, und feine Sitten und Anmut fan-
den hier ihren Hort. Unter den sechs berühmten
Dichterheroen (Rokkasen) ist das zarte Ge-
schlecht durch Frau Ono no Komachi (f ca.
870) vertreten, deren Schönheit und herbe Jung-
fräulichkeit noch heute sprichwörtlich ist; die
Dame Ise, die Geliebte des Kaisers Uda (ca.
900), deren Vater Fujiwara no Tsuyukage Gou-
verneur der Provinz war, von der die Tochter
ihren nom de guerre entlehnte, soll den be-
rühmten Roman Ise-monogatari verfaßt haben1;
das reizende Teehausmädchen Ösen von Kasa-
mori entzückte die Blumenzeit des Harunobu
ebenso durch ihre Lieblichkeit wie durch ihre
Verse2 3, und die Oirans oder Yuros (Kurti-
sanen) genossen nicht nur eine an höfische Art
gemahnende Feinbildung, die sogar ihre Sprache
auf den blütenreichen Kurialstil erhob, sie haben
sich auch je und je als Dichterinnen betätigt
und sind als solche mit Begeisterung gefeiert
1 cf. Kurth, Japanische Lyrik, München, R. Piper
& Co., S. 24 f., 34 ff.
2 Ebenda S.92ff. und Kurth, Harunobu, im selben
Verlage 1910, S. 44 ff.

worden1. Das legt die Vermutung nahe, daß
Frauenhände auch bei der Pflege des Meister-
holzschnitts tätig waren. Ein oder zwei Bei-
spiele kannte man bisher; sie galten als Aus-
nahmen, wie so viele Dinge in neuen Stoff-
gebieten, wenn noch nicht genügend Material
zusammengebracht ist. Ich bin in der Lage,
eine sehr stattliche Anzahl von Holzschnittmei-
sterinnen namhaft zu machen, die schlagend be-
weist, daß von einer Ausnahme gar keine Rede
sein kann. Fast jede Entwicklungsepoche dieses
Kunstzweiges hat auch ihre weiblichen Vertreter
gehabt. Von den einen kennen wir biogra-
phische Notizen, von andern ihre Porträts, von
andern ihre Werke, und die Fülle der Einzel-
heiten, die ich hier zusammengetragen habe,
läßt den Schluß zu, daß ein Spezialstudium noch
weit mehr von diesem Gebiete erschließen wird.
Man nehme also diese Bruchstücke als eine
Grundlage auf2.
Bereits mit dem Namen des Hishikawa
Moronobu, des japanischen Dürer, ist eine
Meisterin verbunden: Sanki Ryu-jo8. Sie war
die Tochter des Goki-doshin (etwa kaiserlicher
Bannerträger? jedenfalls niederer Offizier) San-
ki Bunyeimon, wohnte zuerst in der unteren
Yachosha-Straße, später in der Nähe des Shiba-
Shimmei-Tempels von Yedo und zeichnete schon
als Mädchen von sechs bis sieben Jahren Bil-
der im Stile der damals herrschenden Volks-
kunstrichtung (Ukiyoye). Nach einigen war sie
Autodidaktin, nach andern aber wurde sie die
Schülerin des Moronobu und wirkte hauptsäch-
lich in der Kyoho-Epoche (1716—35). Sie war
so bekannt, daß sie „die Malerin“ genannt
wurde.
Ein zweites Mädchen stand mit dem be-
rühmten Meister in Beziehung, und zwar durch
1 J. Kurth, Utamaro, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1907,
S. 23 und Japanische Lyrik, S. 109, 123, 131 ff.
2 Elf Meisterinnen habe ich bereits in meinem soeben
bei R. Piper & Co., in München erschienenen Buche
„Der japanische Holzschnitt“ angeführt, die übrigen
werden größtenteils hier zum erstenmale namhaft gemacht.
3 „jo“ am Ende der Namen bedeutet: „Frau“.

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