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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Kurth, Julius: Meisterinnen des japanischen Holzschnittes
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0062

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Meisterinnen des japanischen Holzschnittes.
Blutsverwandtschaft: Hishikawa Osawa, die
Tochter des Holzschnittmeisters Hishikawa
Sakunojo Morofusa, der entweder ein Sohn
oder ein Schwiegersohn des Moronobu war.
Von dieser Moronobu-Enkelin besitzen wir
sogar ein Porträt, das kein geringerer als Oku-
mura Masanobu in seinem 1723 erschienenen
Yehon fuga shichi Komachi“ veröffentlicht hat
(Taf. IX, Abb. 1). Ein rundstirniges hübsches
Mädchen malt kniend an dem Bildnis einer jungen
Dame. Ein zweites vollendetes Frauenbildnis
von ihrer Hand steht im Hintergründe. Sie
trägt ein reich dekoriertes Gewand, Malgerät
ist um sie ausgebreitet; hinter ihr sitzt ihre
Mutter, die Tochter oder Schwiegertochter des
Moronobu, mit einem Baby und ein im
Schlafe blinzelndes Kätzchen. Ein Schwester-
chen der jungen Künstlerin serviert den Tee.
Aber nicht nur dies köstliche kunstgeschichtliche
Dokument hat uns Masanobu aufbewahrt: das-
selbe Buch bringt das Porträt einer zweiten
Meisterin: der Nishikawa Omume (Taf. IX,
Abb. 2). Ihr Vater war gleichfalls ein Holz-
schnittmeister, Nishikawa Terunobu, der,
früher wohl der Schule des Sukenobu ange-
hörend, später in der Art der Torii-Meister schuf.
Seine Tochter soll eine besondere Behandlung
des Stirnhaares auf Bildern von Oirans er-
funden haben. Vor einem solchen Bilde stellt
sie uns Masanobu dar. Ihr Kleid trägt neben
geometrischen Mustern und Enzianblüten die
Pflaumenblüten (mume) ihres Namens. Sie muß
ein schönes Mädchen gewesen sein. Ihr Werk
zeigt deutlich die Art der älteren Torii-Schule.
Auch die japanische Zeitschrift Kono-hana, die
bereits im vorigen Jahre zu erscheinen begann
und sich ausschließlich den Holzschnittmeistern
widmet, hat diese beiden Porträts nach Masa-
nobu veröffentlicht, das erste sehr unnötiger-
weise in selbst erfundenen Farben.
Nun aber klafft eine Lücke: Erst in Kita-
gawa Utamaros Jugendzeit tritt wieder eine
Meisterin auf den Plan: Kitagawa Sendai-
jo.1 Über sie herrschte bisher große Unklar-
heit: die besten Quellen nannten ihren Namen
zwar vor dem des Utamaro, es wurde aber
1 So lese ich jetzt den Namen gegen meinen früheren
japanischen Gewährsmann.
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vermutet, daß sie seine Tochter gewesen sei.
Das wird durch die Publikation eines ihrer Holz-
schnitte aus einem Buche von 1785 in der eben
angeführte Zeitschrift (Taf. IX, Abb. 3) unmöglich.
Denn Utamaro war 1753 geboren, konnte also
1785 kaum eine Tochter haben, die illustrierte
Bücher herausgab, besonders nicht in der Stil-
reife, wie die veröffentlichte Probe. Außerdem
hat Utamaro wahrscheinlich erst ca. 1797 ge-
heiratet. Der Sippenname Kitagawa weist sie
ja sicher in die Utamaro-Schule; wie steht es
aber mit der Verwandtschaft? Ganz über Bord
werfen dürfen wir die Notiz nicht. Ich habe
hundertmal nachgewiesen, daß auch falschen
Berichten der alten Quellen irgendein Körnchen
Wahrheit zugrunde liegt. Bereits in meiner Uta-
maromonographie (S. 369, Anm. 1) habe ich
die Vermutung ausgesprochen, daß die Meisterin
die Gattin des Künstlers gewesen ist. Sie wird
mir jetzt zur Gewißheit. Ich hatte schon damals
die Freude, die „Frau Maro“, von der man
bisher nur wußte, daß sie nach dem Tode des
Meisters seinen Mitschüler Koikawa Shuncho
heiratete, als Mitarbeiterin ihres Gatten bei dem
erotischen Werke „Yehon warai jogo“ vorzu-
stellen (ebenda S. 105 ff.), und habe einen Brief
von ihrer Hand in Faksimile wiedergeben kön-
nen, der als Einleitung dieses Buches abgedruckt
wurde und auf ihr heiteres Temperament, ihren
Esprit und ihr Eheglück ein klares Licht wirft.
Der Reichtum ihrer Palette und die feine Dezenz
in der Verteilung der Farbenflächen ließen sie
als tüchtige Künstlerin erkennen. (Ebenda Far-
bentafel 33.) Dies Werk erschien gegen 1797,
der oben erwähnte Holzschnitt 1785. Liegt es
nicht sehr nahe, die beiden Kettenglieder zusam-
menzufügen und die Buchillustratorin Kitagawa
Sendai-jo, die sowohl Schülerin als auch Ver-
wandte des Utamaro war, mit seiner Mitarbei-
terin und Gattin, deren Namen nicht genannt
wird, zu identifizieren? Dann hätten wir den
Aufriß des Lebens der Künstlerin gewonnen.
Sie würde etwa 1765 geboren sein, kam in den
achtziger Jahren in die Schule des damals schon
berühmten Utamaro und zeichnete 1785 den
Holzschnitt, der in Typ und Grazie den Ein-
fluß des „Muschelbuches“ von Utamaro ver-
rät. Ihre Reize ließen damals den verwöhnten
Meister kühl; er war noch Ende der achtziger
 
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