Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

DOI Artikel:
Jeakel, Otto: Zur Urgeschichte der orientalischen Teppiche
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0229

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Urgeschichte der orientalischen Teppiche.

Von Otto Jaekel-Greifswald.
Mit 9 Abbildungen auf 3 Tafeln (XXVII—XXIX).

Sas wir als orientalische Teppiche im
engeren Sinne bezeichnen, sind Knüpf-
teppiche, die in der Hauptsache als
Fußbodenbelag dienten. Daß sie im Orient ebenso
wie bei uns gelegentlich als Vorhänge oder Decken
Verwendung finden, beeinträchtigt ihre charakte-
ristische Bedeutung nicht. Wären die Teppiche
ursprünglich zu einem der letztgenannten Zwecke
bestimmt gewesen, so würden sie schwerlich so
fest geknüpft sein. Eine so kräftige Technik muß
durch andere Momente motiviert sein. Die auch
im Orient für Vorhänge und Decken typische
Technik ist die Handweberei, wie sie der Kelim
repräsentiert. Diese Gewebe lassen wir hier bei-
seite und wollen nur der Entstehungsgeschichte
der echten Knüpfteppiche nachgehen.
In der bisherigen Literatur über orientalische
Knüpfteppiche sind bezüglich ihrer Genese meist
drei Probleme zusammengefaßt, ihre technische
Entstehung, ihre Herkunft und die Herleitung
ihres dekorativen Schmuckes. Es dürfte sich aber
empfehlen, diese Gesichtspunkte scharf ausein-
ander zu halten, denn es liegt auf der Hand, daß
ein technisches Produkt seine Hauptverbreitung
in einem anderen als seinem Entstehungsgebiet
finden, und daß es seinen dekorativen Schmuck
wieder noch von anderer Seite erhalten haben kann.
Das natürliche Verbreitungsgebiet des orien-
talischen Teppichs reicht von Kleinasien über
Persien und den Kaukasus nach Zentralasien
hinein. Kleinasien liegt an der Peripherie dieses
Verbreitungsgebietes und es werden darüber kaum
Meinungsverschiedenheiten herrschen, daß Gebiete
wie der Kaukasus und Armenien, sowie Arabien
und Indien als seitliche Ausstrahlungen einer
Hauptverbreitungsrichtung anzusehen sind, die
von Kleinasien über Persien nach Turkestan,
und nach Zentralasien verläuft. Persien ist das
klassische Hauptproduktionsgebiet, und wir haben
viele Gründe für die Annahme, daß die klein-
asiatischen Teppiche von dort aus ihren ent-
wicklungsgeschichtlichen Ausgang genommen
haben. Dasselbe dürfte von Indien gelten, aber
wir würden nicht berechtigt sein zu der Annahme,

daß Persien in gleicherweise das Ursprungsland
der turkestanischen, tibetanischen und allgemein
gesprochen der zentralasiatischen Teppiche
sei. Diese erscheinen den reich geschmückten
persischen Luxusteppichen gegenüber einfacher
und primitiver. Sie sind auch meistens klein und
das Erzeugnis des Hausfleißes nomadisierender
Stämme. Nun sind diese allerdings kein ge-
schlossenes, Persien gegenüber selbständiges
Volksgebiet, sondern anscheinend ein im Wechsel
der Zeiten je nach den Besiedelungsmöglichkeiten
wechselnder Bruchteil der Bevölkerung benach-
barter Länder. So gibt Polak an, daß mehr als 1/s
der Bevölkerung Persiens Nomaden seien. Jeden-
falls würde man einzelne Stämme dieser Nomaden
näher umgrenzen müssen, wenn man aus ihrem
Nomadentum nähere Folgerungen über den
Charakter ihrer Teppiche ziehen wollte. Ein Teil
der Nomadenteppiche, wie sie in Afghanistan
Bochara und bei den Teke Turkmenen vorkommen
(Taf. XXVII, Abb. 2), sind sicher anders zu be-
urteilen, als die einfachen und, ich darf wohl
sagen, typischen Nomadenteppiche, bei denen ein-
fache Borten ein Mittelfeld umrahmen, das in sehr
primitiverWeise in Streifen oder einfachen Mustern
mit wenigen urwüchsigen dekorativen Elementen
erfüllt ist. Der Begriff Nomadenteppich würde
also im weiteren Sinne nur bedeuten, daß derselbe
unter den technisch ungünstigen Bedingungen des
Nomadenlebens entstanden ist, und über seine
stilistische Herkunft nichts besagen, im engeren
Sinne aber einen Stiltypus bedeuten, der eine
primitive, an keine höhere Stiltypen angelehnte
Ausschmückung des Mittelfeldes und der Borten
erkennen läßt. In diesem engeren Sinne der
Kunstgeschichte ist der Begriff auch hier gemeint.
Abb. 6 auf Taf. XXVIII zeigt sicher keinen sehr
alten aber wohl einen primitiv gebliebenen Typus
dieser Art, ebenso Abb. 9 der Taf. XXIX.
Die spezifisch persischen Teppiche schöpfen
ihre Motive aus dem Garten: ein großes blumen-
geschmücktes Beet bildet das große Mittelfeld,
in dem sich bunte Blütenkelche zusammendrängen
und zierlich durch Ranken verknüpft sind (Abb. 4),

23*

1Ö7
 
Annotationen