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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Schultz, A. v.: Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0046

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Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir.
westlichen Pamirprovinzen zu einer wichtigen
ethnographischen Bedeutung verholten hat In
dem kriegerischen Oewoge Vorder-Asiens sind
sie ein Zufluchtsort arischer Völker gewesen
und die unwirtliche Natur der rauheren Hoch-
täler hat sie vor neuen Kultureinflüssen, vor
Vermischung mit fremdem Blute gut bewahrt.
Besonders in den südlichsten, am Nordabhang
des Hindukusch entlang ziehenden, am höchsten
gelegenen Tälern, in der Landschaft Wachan,
hat sich ein Volk erhalten, dessen Kulturelemente
uns Aufschluß über vergangene Kulturzustände
Vorder-Asiens geben können.
Politisch gehört heute das etwa 100000 qkm
große Gebiet des Pamir vorwiegend zu Rußland.
Das westliche, linke Pändschufer (Oberlauf des
Amudarja) ist im Besitz der Afghanen, ebenso
eine schmale, etwa 20—30 km breite, 200 km
lange Zone, die sich am Nordfuß des Hindukusch
zwischen die russischen und britischen Be-
sitzungen schiebt. Der östliche Pamir gehört
schon zu China.
Es sind die verschiedensten Legenden unter
der Bevölkerung des westlichen Pamir über
ihren Ursprung verbreitet, die alle auf eine alte
Einwanderung aus Westen schließen lassen
und nur in Größe und Zahl der einzelnen Etappen
der Einwanderung variieren. Anderseits ist auch
der Gedanke an eine seit Urzeiten hier ansässige
Bevölkerung vorhanden. In den südlichen Land-
schaften, Wachan und Ischkaschim, ist die alte Be-
völkerung unter dem Namen „Siapusch“ bekannt.
Eine ganze Reihe großer, jetzt meist in Trümmer
liegender Bauwerke wird ihnen zugeschrieben.
Die später eingewanderten Elemente kamen aus
Chorassan über Badakschan im äußersten Osten
Afghanistans, teilweis auch aus Darwas, der
an den nordwestlichen Pamir angrenzenden
bucharischen Provinz, wohl in größeren Massen.
Kleinere Zuzüge haben außerdem aus Iran,
Chorassan, Balch und, in geringer Zahl, jenseits
des Hindukusch her stattgefunden.
In den nördlicheren Pamirprovinzen Schugnan
und Ruschan herrscht die Ansicht vor, daß die
Bevölkerung von einem eigenen Volksstamme
des Landes abstammt. Die Siapusch sind hier
aber nicht bekannt. In den nördlichen Vorketten
des Pamir, resp. den Ausläufern des südlichen
Tien-schan, außerhalb des eigentlichen Pamir, ist

am Oberlauf des Serawschan ein altes Stamm-
volk unter dem Namen „Galtscha“, ein Name,
der sich bis heute erhalten hat, bekannt. Hier,
außerdem am Oberlauf des Surchab und im
unteren Teil des zwischen der Alai- und
Transalaikette liegenden Alaitales, ist ein altes
Volk „Muk“ bekannt. Eine große Zahl alter
Bauten, Kanalanlagen, Begräbnisplätze wird diesen
letzteren sagenhaften Völkern zugeschrieben.
Wenn man die vorherrschenden Angaben
der Eingeborenen als Kriterium gelten lassen
will, so ist der westliche Pamir von einer
arischen, aus dem Westen kommenden Bevölkerung
eingenommen, wobei die nördlichen und südlichen
Gebiete, also die einerseits an die bucharischen
Provinzen, anderseits an die Hindukuschstaaten
grenzenden, eine Beeinflussung aus letzteren
Ländern erlitten haben. Eine genauere Zeit-
bestimmung der ersten Einwanderungen ist nicht
möglich. Bekannt ist, daß die Siapusch von
einem mohamedanischen Volke, das mit dem
Propheten Ali gekommen sein soll, gegen die
Ungläubigen zu kämpfen, verdrängt worden sind.
Die Eingeborenen in Wachan behaupten von
diesen islamitischen Streitern abzustammen.1
Es ist ein rauhes, hartes Leben, das der
meist als „Tadschik“ bekannte heutige Bewohner
des westlichen Pamir in den entlegenen Hoch-
tälern, besonders im Süden, wo er am Fuß des
Hindukusch mit seinen kleinen Feldern und
Dörfern bis 3350 m (Ssarhad) vordringt, führt.
Im tieferen, ungef. 2000 m hochgelegenen Ruschan,
wo üppiger Obstbau und eine leichtere Beackerung
der Felder möglich ist, verweichlicht der Tadschik,
wird faul und träge. Ist der Süden des arischen
Pamir durch kräftige Männer und allerdings
weniger anziehende Frauen ausgezeichnet — so
ist der Norden durch schöne Frauen — und
laxe Sitten — aber durch ein schwächlicheres
und häßlicheres Männergeschlecht bekannt.
Wie die meisten Bergvölker, so fühlt sich auch
der Tadschik über den Eingeborenen der Ebene
sowie über den oft viel wohlhabenderen
nomadischen Kirgisen erhaben. Das Motiv dazu
1 Über die verschiedenen Legenden der Eingeborenen
über ihre Abstammung, sowie auch über diesbezügliche
Theorien der Forscher Biddulph, Tomaschek, Aristow,
Bartold, siehe Bobrinski „Die Bergvölker im Quellgebiet
des Pändsch“. Moskau 1908. In russischer Sprache.

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