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Grothe, Hugo [Oth.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

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Schultz, A. v.: Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0051

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schik des ganzen westlichen Pamir eine wesent-
liche Rolle spielen. Die einzelnen Dörfer sind
meistens klein, oft nur aus wenigen Hütten be-
stehend. Als Baumaterial für diese wird Stein
und Lehm verwendet. Fenster fehlen meistens.
Das Dach ist flach und besteht aus festgestampf-
tem Lehm, der auf einer Lage, durch Balken ge-
stützter Stäbe ruht. In ihrer inneren Anlage sind
diese kleinen, niedrigen, unscheinbaren Häuser
der Tadschik recht verschieden. Die kontinen-
talen, extremen Temperaturen des Pamir, einer-
seits zwischen Sommer und Winter, anderseits
zwischen Tag und Nacht, spiegeln sich in der
Bauart der Häuser wieder. Im Winter lebt man
ganz innen versteckt, im Küchengemach („kchun“),
im Sommer hält man sich draußen in freien,
offenen, erhöht gebauten Hallen auf. Der Küchen-
raum, um und an den sich dann die verschiede-
nen kleinen Kammern und Stuben anlegen, ist
im allgemeinen immer gleich: ein viereckiger Raum,
in dessen Decke, in der Mitte gewöhnlich, eine
schließbare Öffnung Licht hereinläßt und durch
die der Rauch des Herdes abzieht. Die Decke
ruht auf vier Pfählen, um die sich, längs der
Wände eine erhöhte Plattform zieht. An einer
Seite ist in derselben der offene, urnenförmige Herd
angebracht, so daß die Eingeborenen im Winter
entweder vor dem Feuer am Boden oder oben
auf der Plattform kauern können. In den langen
Wintermonaten herrscht in diesen halbdunklen,
überheizten und rauchgeschwängerten Räumen,
in denen sich alles zusammendrängt, eine er-
stickende Luft, die die Ursache verschiedener
Augen- und Lungenkrankheiten ist. Die übrigen
Räume eines Hauses sind meist dunkle, nicht
heizbare, kleine Kammern, die zu verschiedenen
Zwecken benutzt werden. Ställe, Vorratsräume
schließen sich daran — kleine niedrige Türen,
enge, dunkle Korridore verbinden diese Flucht
winziger Räume, in denen der Tadschik im Winter
haust. Anders im Sommer. Weite, offene Hallen
in den Höfen, oft hoch an den Häusern ange-
bracht, lassen ihn die warmen Sommertage, be-
haglich auf Teppichen hingestreckt liegend, ge-
nießen. Die dunkle Küche wird nur noch zur
Zubereitung der Speisen benutzt. Die kühlen
Nächte treiben aber oft die Leute ins Innere des
Hauses — wo es nun allerdings von dem mannig-
faltigsten Ungeziefer wimmelt.

Zur Kenntnis der arischen Bevölkerung des Pamir.
Krüge aus Thon, ohne Drehscheibe gearbeitet,
für Milch und Wasser, Kessel, meist aus Kupfer,
afghanischer Arbeit, neuerdings auch eiserne aus
Rußland, verschiedene Holzschüsseln, Löffel mit
rechtwinkelig eingesetztem Stiel, kupferne Kannen
zum Kochen des Wassers, kaschgarischer oder
sartischer Arbeit, bilden das Küchengerät der
Tadschik. In den Häusern der Vornehmen findet
man neuerdings auch viel russisches Geschirr,
wie eiserne Eimer, Kannen, Emailleschalen und
-feiler, Löffel, Gläser u. a.
Die Nahrung besteht bei der ärmeren Be-
völkerung meist aus Mehlspeisen und Molkerei-
produkten, während Fleisch nur von den Wohl-
habenden ständig genossen wird. Ein beliebtes,
schnell hergestelltes Gericht, das mehrmals am
Tage eingenommen wird, bildet Brot aus Gersten-
oder Weizenmehl, in Form großer runder Fladen,
das in flachen Holzschüsseln mit zerlassener
Butter übergossen wird. Die Eingeborenen
kauern im Kreise und kneten sich mit den Fingern
in der warmen Butter einen Bissen zurecht, um
ihn schmatzend und schlürfend in den Mund zu
schieben. Sehr verbreitet ist außerdem „lapschä“
— eine wässrige Linsensuppe. In den tief
liegenden Tälern von Ruschan, im nordwestlichen
Pamir, bilden Maulbeerfrüchte, Aprikosen und
Äpfel im Sommer den wesentlichsten Bestandteil
der Nahrung.1 Der Ackerbau der Tadschik ist
nur mit Hilfe künstlicher Bewässerung möglich,
zu welchem Zweck weit ausgedehnte Kanal-
systeme gebaut werden müssen. Die Anlage für
ein Terrassenfeld beginnt oft 10 und mehr km
oberhalb des Feldes am Fluß, während die Schutt-
kegelfelder durch Anzapfung an Ort und Stelle
des den Kegel aufschüttenden Baches berieselt
werden.2 Hacken und primitive, von Ochsen ge-
zogene Holzpflüge bilden das Ackergerät. Ge-
droschen wird mit Ochsen oder Eseln, die auf
dem geschnittenen Korn im Kreise umherge-
trieben werden. Zum Anbau gelangen Weizen,
Gerste, zweierlei Art, Roggen,3 Hirse, Erbsen in
zwei Sorten, Bohnen und Senf, aus dessen Samen
Fett zum Bestreichen der Kienspäne verfertigt
1 Vergl. A. v. Schultz „Volks- und wirtschaftliche
Studien im Pamir“. PetermannsMitteilungen 1910. p.254.u.f.
2 Die Sprache kennt verschiedene Ausdrücke für zu-
und ableitende Kanäle.
3 Fehlt in Wachan.

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