Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Wann ist das chinesische Porzellan erfunden und wer war sein Erfinder?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0057

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wann ist das chinesische Porzellan erfanden und wer war sein Erfinder?

Teil auch heute noch. Und auch aus populären
Büchern ist sie immer noch picht ganz aus-
zurotten.
Nun aber machten sich die Sinologen auf
die Suche. Doch war die Aufgabe für sie
nicht leicht. Die chinesischen Quellen haben
nirgends das Jahr oder auch nur die allgemeine
Zeit der Erfindung angegeben. Die chinesische
Sprache aber besitzt kein Wort, das zu allen Zei-
ten unbestreitbar Porzellan und nichts anderes
als dies bedeutet hätte. Wo sollte man da mit
seinen Forschungen einsetzen? Mißgriffe sind
daher auch zunächst nicht ausigeblieben: vor
allem Stanislaus Julien, der bekannte franzö-
sische, im übrigen um die Geschichte des chine-
sischen Porzellans so hoch verdiente Sinologe,
kam infolge zweier bedauerlicher Irrtümer zu
einem gänzlich falschen Resultat, als er auf
Grund einer chinesischen Angabe die Erfindung
schon in das erste oder zweite Jahrhundert vor
Christi Geburt setzte. Auf der anderen Seite
jedoch dürfte man bisher mit der Ausnutzung
der gewonnenen Resultate doch etwas zu
schüchtern gewesen sein. Eine ganze Reihe
von Tatsachen liegt doch bereits vor, die für
die Lösung dieser Frage, vor allem wenn
sie miteinander in Beziehung gesetzt werden,
von großer, ja vielleicht ausschlaggebender Be-
deutung sein dürften. Vor allem aber hat man es
allem Anscheine nach noch nie recht versucht,
sie, wie es doch an sich am nächsten lag, auch
von rein keramischem Standpunkte aus zu
betrachten. So dürfte es wohl von Wichtig-
keit sein, diese Frage hier noch einmal aufzu-
rollen, sie aber nun von allen Gesichtspunkten
aus, die ihr gegenüber in Frage kommen, zu
untersuchen. Vielleicht, daß man dann doch zu
etwas positiveren Ergebnissen gelangt als dies
bisher möglich zu sein schien.
❖ *
*
Was haben sich nun durch die bisherige
Forschung zur eventuellen Lösung dieser Frage
für Tatsachen ergeben? Zunächst die, daß
wir nicht ein einziges Mal vor dem Ende des
6. Jahrhunderts nach Christi Geburt von kera-

mischen Erzeugnissen in China hören, die
irgendwie mit Porzellan in Verbindung zu brin-
gen wären, dann aber gleich drei Nachrichten
auf einmal besitzen, die sich auf dieses beziehen
können. Diese Zeugnisse sind schon seit über
50 Jahren uns durch den oben erwähnten be-
rühmten Sinologen Stanislaus Julien in seiner
wichtigen Übersetzung der chinesischen Quellen-
schriften zur Geschichte und Technik des chine-
sischen Porzellans übermittelt und dann auch
reichlich ausgenutzt worden, Von diesen be-
sagt das erste: „Ho Chou, der Vorsitzender des
Ministeriums der öffentlichen Werke während
der kurzen Zeit der Suidynastie (581—617) war,
besaß eine ausgedehnte Kenntnis von alten Ge-
mälden und war sehr vertraut mit Altertümern.
China hatte schon seit langer Zeit die Kunst,
Glas zu machen, verloren, und die Arbeiter
wagten nicht, neue Versuche zu machen, aber
ihm gelang es, aus einem grünen Porzellan
Gefäße herzusltellen, die nicht von wirk-
lichem Glas zu unterscheiden waren.“
Die zweite Nachricht meldet dann, daß nur
ganz kurze Zeit darauf, d. h. ganz am Beginn
der Tangdynastie (618—907), ein geschickter
Arbeiter namens T’ao Jü aus Fou-liang Hsien
in der Provinz Kiang-si, persönlich nach der
Hauptstadt von ihm fabrizierte keramische Er-
zeugnisse brachte, die „künstliche Jade-
vasen“ genannt und alle dem Kaiser verehrt
wurden. Die dritte Nachricht endlich besagt,
daß ganz um dieselbe Zeit, d. h. im Jahre 621,
ein aus der gleichen Gegend stammender Töpfer
namens Ho-Chung-ch’u weiße „Porzellane“
hergestellt hätte, die „glänzend wie Jade“
waren. Er erhielt den besonderen Auftrag,
solche auch für den Kaiser anzufertigen.
Aus allen diesen Mitteilungen geht nun
ganz ersichtlich hervor, daß es sich hier überall
um wirkliches Porzellan gehandelt hat. Denn es
kann darüber wohl kaum ein Zweifel bestehen,
daß keramische Gefäße, die Glas zum Verwech-
seln ähnlich sahen, sowie auch solche, die mit
dem bekannten, in China von jeher so geschätz-
ten, immer leicht durchscheinenden und glän-
zenden Jade verglichen wurden, ebenfalls wirk-
lich glänzend, vor allem aber auch wirklich
durchscheinend gewesen sein müssen. Denn
worin hätte sonst die Ähnlichkeit dieser kera-

31
 
Annotationen