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Grothe, Hugo [Bearb.]
Orientalisches Archiv: illustrierte Zeitschrift für Kunst, Kulturgeschichte u. Völkerkunde der Länder des Ostens — 2.1911/​1912

DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Wann ist das chinesische Porzellan erfunden und wer war sein Erfinder?
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https://doi.org/10.11588/diglit.69723#0059

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Wann ist das chinesische Porzellan erfunden und wer war sein Erfinder?

zellanartiges Erzeugnis in China besitzen?
Nichts anderes, als daß damals jemand ein
solches erfand, als er darauf ausging, Glas, dessen
Geheimnis verloren, mittels einer keramischen
Methode herzustellen, eben weil ihm die natur-
gemäßere, nämlich die der Glasgewinnung
selbst, versagt war. Es geschah also damals
vor etwa 1300 Jahren in China g^nau dasselbe,
was 1100 Jahre später noch einmal in Deutsch-
land geschehen sollte: man näherte ein kera-
misches Erzeugnis dem Glase und gelangte so
zu einem Erzeugnis, das zwischen beiden stand
und in beiden Fällen dann Porzellan war. Nur
so aber, oder doch in ganz ähnlicher Weise,
konnte das Porzellan meiner Ansicht nach, wo-
fern man hier nicht einen ganz blinden Zufall
annehmen will, überhaupt das erstemal erfunden
werden. Denn ganz von selber und ohne irgend
eine Veranlassung von einer anderen Seite her,
wäre man sicherlich nie auf die Erfindung eines
so einzigartigen, isolierten und absonderlichen
Stoffes, wie ihn das Porzellan innerhalb der
Keramik darstellt, gelangt. Man mußte aus
irgend einem Grunde etwas ganz anderes wol-
len, als es die Keramik sonst begehrt, man
mußte ganz neue, der Keramik bisher fremde
Methoden einschlagen und dann konnte man
in der Tat zur Gewinnung eines neuen Stoffes
gelangen, den man ursprünglich gar nicht ge-
wollt, der aber dann jedenfalls sehr willkommen
und äußerst verwendbar war.
So aber treffen vier Tatsachen auf einem
einzigen Punkt zusammen und stützen sich
gegenseitig mit allen Kräften: vor dem Ende
des 6. Jahrhunderts nach Christo hört man in
keiner Weise in China von keramischen Erzeug-
nissen, die schon ^Is Porzellane aufzufassen
wären, nach und während dieser Zeit aber desto
mehr, gleichzeitig aber wird aus dieser Zeit uns
die einzige Nachricht aus der ganzen Geschichte
der chinesischen Keramik überliefert, in der
überhaupt so etwas wie eine Erfindung dieses
Stoffes geschildert wird, und diese Erfindung
wird auch so richtig und naturgemäß darge-
stellt, daß man durchaus bekennen muß, sie
kann nur auf diese oder auf ganz ähnliche Weise
erfolgt sein. Soll man da wirklich noch Be-
denken tragen, jenen um die Wende des 6. Jahr-
hunderts gemachten Versuch, Glas durch ein

„grünes Porzellan“ herzustellen, auch als die
wirkliche Erfindung des Porzellans anzusehen
und damit auch diese Zeit als die seiner Ur-
erfindung zu bezeichnen? Es gibt sicherlich
Hypothesen, die auf viel schwankenderen Füßen
ruhen.
Kennt man nun aber das Jahr der Erfin-
dung des Porzellans, dann kennt man auch
seinen Erfinder! Denn wer ist es anders als
jener gelehrte Ho Chou, der damals diese Er-
findung machte, der Vorsitzende des Ministe-
riums der öffentlichen Arbeiten. Man nehme
hierbei keinen Anstoß daran, daß dieser damals
ein hoher Beamter und darum scheinbar kein
Fachmann war. Das Beamtentum in China ist
von jeher viel demokratischer gewesen als bei
uns: von unten auf muß dort bekanntlich jeder
durch Examina zu den höchsten Stellen empor-
klimmen. So hat er auch ganz andere Gelegen-
heit, sich auf rein praktischen Gebieten Sach-
kenntnis zu erwerben, als dies unsere lediglich
juristisch geschulten höheren und höchsten Be-
amten vermögen. Man nehme aber auch daran
weiter keinen Anstoß, daß die Chinesen ihn nicht
selber bereits zum Erfinder gestempelt haben.
Der Chinese legt allem Anscheine nach keinen
allzu großen Wert darauf — im vollen Gegen-
satz zu uns —, eine bedeutende Tat auch
immer mit einer Persönlichkeit zu verknüpf en. In
derselben Zeit werden in China auch — denn
diese Zeit ist charakteristischerweise ein Zeit-
alter der Erfindungen gewesen — der Kompaß
und der Buchdruck erfunden. Weiß man wer
dies damals getan hat? Seine Geschichtsdar-
stellung aber ist niemals eine so pragmatische
gewesen wie die unsrige: der Chinese ist wissen-
schaftlich überhaupt immer mehr ein Sammler
als ein Darsteller. So trägt er Tatsachen die
schwere Menge herbei, verarbeitet sie aber kaum
und kommt so oft gar nicht auf Dinge, auf
die ein Europäer sofort verfallen muß.
* *
*
Nun aber noch kurz zu einer Sache, die,
um die hier vorliegende Frage völlig zu lösen,
noch in aller Kürze behandelt werden muß.
Seit einiger Zeit scheint es Mode zu werden,

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