künstlerischer Sorgfalt betrieben wird, ist der Her-
stellungsprozeß ein erheblich rascherer. Man taucht
die Baumwollstreifen zunächst in eine Farblauge,
die durch Abkochung von Granatenschalen er-
reicht ist und ein schönes Gelb liefert. Dann wird
nacheinander Schwarz, Rot und Blau aufgetragen.
Eine zarte blasse Tönung, der jede Intensivität
der Farben fremd ist, weiß man vor allem in
Isfahan durch fleißiges Waschen und Bleichen
der gefärbten „Kalamkär“ zu erzielen. Am Ufer
des Sänd-e-rüd sieht man dort in einigen Ab-
ständen voneinander runde Löcher, die sich mit
einsickerndem Wasser stetig füllen. Rings umher
liegen die „Kalamkärs“. Ein Mann steigt dreimal
des Tages in die Wassergruben hinein und über-
schüttet die Gewebe mit Wasser, die alsbald in
der Sonne wieder trocknen.
Abb. 1—4 zeigen vier Musterungen von
„Kalamkär’s“. Auf Charakter und Arrangement
der Zeichnung hat der Formenschatz der persi-
schen Teppiche wie der Geist der alten Minia-
turenmalerei eingewirkt Man sieht an den ge-
gebenen Abbildungen, wie das System der
schmalen mehrfachen Bordüren und des großen
inneren geschmückten Hauptfeldes wie bei den
Teppicharbeiten durchgängig gehandhabt wird.
Letzteres ist gewöhnlich mit seinem Bildschmuck
nicht in die Mitte gestellt, sondern ein Stück
tiefer gerückt, um den Blicken des Beschauers
näher zu stehen. Ein breites, mit Ornamenten
verziertes Band füllt dann ein innerhalb der
Randleisten stehendes rechteckiges oder quadrati-
sches Oberfeld. In kleinen Räumen, die in der
Randumrahmung frei bleiben, pflegt man Schrift-
legenden anzubringen.
Die „Kalamkär’s“ zeigen entweder Blumen-
arrangements oder menschliche Figuren, die mit
Vorliebe Szenen der Jagd-1 oder solche festlicher
Mahlzeiten versinnlichen. Während die Blumen-
ornamente wie bei der Musterung der persischen
Teppiche reizvolle und graziöse Stilisierung be-
kunden (vgl. besonders Taf. XXII, Abb. 4), sind die
verkörperten Menschen oft von überraschender
Steifheit2 und leiden die Größenverhältnisse bei
1 Jagdszenen sind von altersher (vgl. die achämenidische
und sassanidische Kunst) ein bevorzugtes Motiv.
2 Vergleicht man die Darstellungen der „Kalamkärs“
mit denen, wie sie auf Samt, Brokat und Seide in früheren
Jahrhunderten sich finden (siehe Martin, „Figurale persische
Der Kalamkär.
der Gruppierung der agierenden Personen unter
dem fehlenden Sinn der Perspektive. Letztere
Mängel finden aber wir selbst bei den besten per-
sischen Miniaturenmalern. Naturgetreu behandelt
sind zumeist die Tiererscheinungen, so die auf
der Lauer und im Ansprung befindlichen Leo-
parden und die lustige Bocksprünge machenden
oder eilends dahinfliehenden Hirsche, Rehe und
Gazellen.
In anmutiger Weise sind oft die Blumen- und
Baumgruppen durch Tierszenen belebt. Ein Bei-
spiel hierfür ist Abb. 2. Einen Hügel empor,
der nach der Mitte zu von beiden Seiten ansteigt,
klimmen Leoparden, die ein erjagtes Wild in den
Zähnen halten. Durch das Gewirr der Äste
schießen von den Verfolgern gehetzte Rehe dahin.
Auch der Pfau mit ausgespreizten Schwanzfedern
ist ein beliebtes Inventarstück des Innenfeldes,
dazu kommen Elefanten, Kamele und Affen, denen
gern ein Kopf mit menschlichen Gesichtszügen
geliehen wird.
Abbildung 2 liefert ein beredtes Zeugnis des
erfinderischen Sinnes und der Harmonie und
Symmetrik, mit der die Füllung der Gesamtfläche
durch Bänder und Streifen verschiedener Breite,
durch Blumen und Astwerk, durch Baumgestalten
verschiedener Größe, durch Vasen und Medaillons
erreicht wird. Es steht eine schlanke stilisierte
Cypresse, die in ihrem Herzen wieder eine kleine
blütenumrahmte Cypresse trägt, die ganze deko-
rierte Fläche beherrschend, in der Mitte. Kleinere
schlanke Bäumchen gleicher Gattung sind in
derselben Höhe wie die große Cypresse am
unteren Ende zweier seitlicher Längsstreifen an-
gebracht. Die Mittelcypresse wächst aus einem
medaillonartigen breiten Korbe hervor, während
die Stammansätze der kleinen Cypressen in fein
geschnittenen Vasenhaltern sich befinden. Das
Geranke der Zweige und Blüten, die, von dem
korbförmigen Medaillon ausgehend, sich mit be-
wundernswerter Anmut und Natürlichkeit um die
stattliche Mittelcypresse aufwärts schlingen, wirkt
außerordentlich harmonisch. Zur Rechten und
Stoffe aus dem Zeitraum 1550—1650“ [1899] und „Die
persischen Prachtstoffe im Schlosse Rosenberg“ [1901], so
sehen wir, daß der Schatz der Pflanzenmotive und die
Komposition derselben noch auf leidlicher Höhe steht,
während in der Beherrschung des menschlichen Figuren-
bildes ein starker Rückgang zu verzeichnen ist.
Orientalisches Archiv II, 19
135
stellungsprozeß ein erheblich rascherer. Man taucht
die Baumwollstreifen zunächst in eine Farblauge,
die durch Abkochung von Granatenschalen er-
reicht ist und ein schönes Gelb liefert. Dann wird
nacheinander Schwarz, Rot und Blau aufgetragen.
Eine zarte blasse Tönung, der jede Intensivität
der Farben fremd ist, weiß man vor allem in
Isfahan durch fleißiges Waschen und Bleichen
der gefärbten „Kalamkär“ zu erzielen. Am Ufer
des Sänd-e-rüd sieht man dort in einigen Ab-
ständen voneinander runde Löcher, die sich mit
einsickerndem Wasser stetig füllen. Rings umher
liegen die „Kalamkärs“. Ein Mann steigt dreimal
des Tages in die Wassergruben hinein und über-
schüttet die Gewebe mit Wasser, die alsbald in
der Sonne wieder trocknen.
Abb. 1—4 zeigen vier Musterungen von
„Kalamkär’s“. Auf Charakter und Arrangement
der Zeichnung hat der Formenschatz der persi-
schen Teppiche wie der Geist der alten Minia-
turenmalerei eingewirkt Man sieht an den ge-
gebenen Abbildungen, wie das System der
schmalen mehrfachen Bordüren und des großen
inneren geschmückten Hauptfeldes wie bei den
Teppicharbeiten durchgängig gehandhabt wird.
Letzteres ist gewöhnlich mit seinem Bildschmuck
nicht in die Mitte gestellt, sondern ein Stück
tiefer gerückt, um den Blicken des Beschauers
näher zu stehen. Ein breites, mit Ornamenten
verziertes Band füllt dann ein innerhalb der
Randleisten stehendes rechteckiges oder quadrati-
sches Oberfeld. In kleinen Räumen, die in der
Randumrahmung frei bleiben, pflegt man Schrift-
legenden anzubringen.
Die „Kalamkär’s“ zeigen entweder Blumen-
arrangements oder menschliche Figuren, die mit
Vorliebe Szenen der Jagd-1 oder solche festlicher
Mahlzeiten versinnlichen. Während die Blumen-
ornamente wie bei der Musterung der persischen
Teppiche reizvolle und graziöse Stilisierung be-
kunden (vgl. besonders Taf. XXII, Abb. 4), sind die
verkörperten Menschen oft von überraschender
Steifheit2 und leiden die Größenverhältnisse bei
1 Jagdszenen sind von altersher (vgl. die achämenidische
und sassanidische Kunst) ein bevorzugtes Motiv.
2 Vergleicht man die Darstellungen der „Kalamkärs“
mit denen, wie sie auf Samt, Brokat und Seide in früheren
Jahrhunderten sich finden (siehe Martin, „Figurale persische
Der Kalamkär.
der Gruppierung der agierenden Personen unter
dem fehlenden Sinn der Perspektive. Letztere
Mängel finden aber wir selbst bei den besten per-
sischen Miniaturenmalern. Naturgetreu behandelt
sind zumeist die Tiererscheinungen, so die auf
der Lauer und im Ansprung befindlichen Leo-
parden und die lustige Bocksprünge machenden
oder eilends dahinfliehenden Hirsche, Rehe und
Gazellen.
In anmutiger Weise sind oft die Blumen- und
Baumgruppen durch Tierszenen belebt. Ein Bei-
spiel hierfür ist Abb. 2. Einen Hügel empor,
der nach der Mitte zu von beiden Seiten ansteigt,
klimmen Leoparden, die ein erjagtes Wild in den
Zähnen halten. Durch das Gewirr der Äste
schießen von den Verfolgern gehetzte Rehe dahin.
Auch der Pfau mit ausgespreizten Schwanzfedern
ist ein beliebtes Inventarstück des Innenfeldes,
dazu kommen Elefanten, Kamele und Affen, denen
gern ein Kopf mit menschlichen Gesichtszügen
geliehen wird.
Abbildung 2 liefert ein beredtes Zeugnis des
erfinderischen Sinnes und der Harmonie und
Symmetrik, mit der die Füllung der Gesamtfläche
durch Bänder und Streifen verschiedener Breite,
durch Blumen und Astwerk, durch Baumgestalten
verschiedener Größe, durch Vasen und Medaillons
erreicht wird. Es steht eine schlanke stilisierte
Cypresse, die in ihrem Herzen wieder eine kleine
blütenumrahmte Cypresse trägt, die ganze deko-
rierte Fläche beherrschend, in der Mitte. Kleinere
schlanke Bäumchen gleicher Gattung sind in
derselben Höhe wie die große Cypresse am
unteren Ende zweier seitlicher Längsstreifen an-
gebracht. Die Mittelcypresse wächst aus einem
medaillonartigen breiten Korbe hervor, während
die Stammansätze der kleinen Cypressen in fein
geschnittenen Vasenhaltern sich befinden. Das
Geranke der Zweige und Blüten, die, von dem
korbförmigen Medaillon ausgehend, sich mit be-
wundernswerter Anmut und Natürlichkeit um die
stattliche Mittelcypresse aufwärts schlingen, wirkt
außerordentlich harmonisch. Zur Rechten und
Stoffe aus dem Zeitraum 1550—1650“ [1899] und „Die
persischen Prachtstoffe im Schlosse Rosenberg“ [1901], so
sehen wir, daß der Schatz der Pflanzenmotive und die
Komposition derselben noch auf leidlicher Höhe steht,
während in der Beherrschung des menschlichen Figuren-
bildes ein starker Rückgang zu verzeichnen ist.
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