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Prähistorische Blätter — 7.1895

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Heft Nr. 2
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Ausgrabungen und Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32434#0047
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Ausgrabungen und Funde.

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an der Elbe gelegen zusammen mit einem direct gegenüberliegenden oiden-
bar zu Wehrzwecken diente. Es liegt der Gedanke nahe, dass dies der
Burgwall war, an dessen Fusse die Bevölkerung ihre Hütten aufgeschlagen
hatte, und dass wir hier dasselbe Verhältnis von Burg (urbs) und Wohn-
ort (suburbium) vor uns haben, wie es in Schwerin zwischen dem wendischen
Burgwall auf der Schlossinsel und der Wendenstadt gegenüber auf dem
Alten Garten bis zu der Marstallhalbinsel bestand. Der Nachweis wird
erst durch weitere Untersuchungen geführt werden können, ist aber kaum
zu erwarten, da leider beide Burgen demnächst der Ackerkultur zum
Opfer fallen sollen.
Dagegen ist ein unzweifelhaft wendischer BurgwaH, ca. 3/4 Meilen von
dem genannten entfernt, neuerdings nachgewiesen. Verfasser verdankt die
Kunde dem Herrn Förster Peters in Bobzin. Der Wall liegt wohl er-
halten in der Fahrenhorst in schönem Hochwalde auf durchaus festem
Boden nahe der Eide und besteht aus eine'' runden niedrigen Umwallung
mit Graben. An der inneren Wallkrone fanden wir nun eine der charak-
teristischen Wohngruben mit zahlreichen Scherben, aus denen sich ein Ge-
fäss im Charakter jüngerer Keramik (rothbraun, gut gebrannt, Drehscheibe-
arbeit, von schmaler Standfläche stark ausbauchend , verziert mit kleinen,
kranzartig herumlaufenden Kerben) zusammensetzen liess. Archäologisch
ist dieser Nachweis des wendischen Ursprungs von grosser Bedeutung,
denn bisher waren wendische Walte fast nur aus Sümpfen u. ä. bekannt
und alle Wälle auf festem Lande mussten als nichtwendisch angesehen
werden, bis zwingende Beweise erbracht waren. Topographisch ist der Bob-
ziner Wall wohl als Grenzburg des Stammes der Linonen gegen die nörd-
lich der Eide wohnenden Warnower anzusehen, und wir dürfen ebenso eine
Eldelinie vermuthen, wie Verfasser dieser Zeilen kürzlich ein Vertheidig-
ungssystem an der uralteu und auch in geschichtlichen Zeiten aufrecht er-
haltenen Mildenitzgrenze zwischen Warnowern und Oircipanern in der
Linie von Burgwällen in Goldberg-Dobbertin-Dabel-Sternberg-Gr. Raden-Gr.
Görnow gefunden zu haben glaubt.
Und zu diesen Wohn- und Schutzplätzen der Li^bzer Linonen haben
wir nun auch ihre Gräber, für den Alterthumsforscher immer die wich-
tigsten Stellen, gefunden. Verfasser hat unter thätiger Beihilfe des oben
genannten Herrn Peters einen Wendenkirehhof nahe bei dem Forst-
hofe Bobzin ausgegraben. Auf einer Rachen sandigen Kuppe lagen die
Leichen in geringer Tiefe in Reihen bestattet. Von Särgen oder ausge-
setzten Grabstellen fand sieh keine Spur, wohl aber waren einige durch
Steine in ihrer Lage gehalten. In der Beerdigung liegt ein Eindringen
christlicher Sitte; doch ist dieselbe noch nicht zum Siege gelangt, indem
die Leichen allerdings sämmtlich in ostwestlicher Richtung lagen, aber
zum Theil mit dem Kopf, zum Theil mit den Füssen nach Osten. Heid-
nischer Anschauung entsprechend ist auch die Sitte der Beigaben. Mehrere
trugen eiserne Messer an der linken Seite, vielleicht an einem Gürtel,
ein Skelet trug an dem rechten Mittelfinger einen offenen Bronzering und
über der Brust ein Kindesskelet. Schläfenringe, die typischste wendische
Schmackform, fehlen Zwischen einigen Gräbern lagen Urnenscherben,
Reste von Gefässen, welche den Todten nachgeworfen waren. Zwischen
diesen beerdigten Leichen nun fand sich eine kleine zierliche Urne mit
Deckel, in welcher verbrannte Geheine lagen. Es entspricht das völlig
früheren Beobachtungen, nach welchen erst der völlige Sieg des Christen-
thums auf unserem Boden dem Leichenbrande ein Ende gemacht hat;
es ist aber das erste Mal, dass eine wohlerhaltene Leichenbrandurne neben
wendischen Skeleten gefunden ist. Die Erhaltung dieser Skelete ist
eine durchgängig gute. Es haben 11 wohlerhaltene Schädel bewahrt
 
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