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Prähistorische Blätter — 7.1895

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Heft Nr. 2
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Ausgrabungen und Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32434#0048
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Ausgrabungen und Funde.

werden können. Die Grundform derselben ist eine recht verschiedene;
ein Volk einheitlicher Rasse sind die Wenden auf unserem Boden nicht
gewesen. Doch überwiegen die mittellangen und Kurzköpfe mit läng-
lichem Gesichte (Kollmanns dolichoprosope Brachycephalen oder Meso-
cephalen, die „sarmatisch-germanische" Mischrasse von Hölders). Es
scheint ein schlankes, hochgewachsenes Geschlecht gewesen zu sein; ein
Skelett mass 1,80 m. Allerdings befand sich dabei auch eines mit rhachiti-
scher Verkrümmung der Wirbelsäule und des Beckens und Knochen-
wucherungen in der Nasenhöhle. F,s ist auch früher auf der Grabstätte
eine Münze gefunden, welche als spät-römisch bezeichnet wird; doch ist
über ihren Verbleib nichts Sicheres festzustellen. Römische Münzen haben
oft eine Umlaufszeit von mehreren Jahrhunderten gehabt und sind auf
wendischen Fundstätten mehrfach beobachtet. Auch ohne sichere chrono-
logische Merkzeichen sind wir berechtigt, das Bobziner Grabfeld in die
letzten Jahrhunderte der Wendenherrschaft zu setzen. Dahin weist die
relative Gleichmässigkeit der Bestattung, welche von der älteren Regel-
losigkeit wendischer Bestattungsgebräuche sehr abweicht, und auch die
Form der Urne, welche durch Sauberkeit der Arbeit und Ornamentirung
(Kehlstreifen mit Kerbenband) in die jüngste Periode der vorchristlichen
Keramik gehört. Immerhin sind die zeitlichen Grenzen, innerhalb derer
wir nach dem derzeitigen Stande der Forschung die Bobziner Gräber an-
setzen müssen, noch ziemlich weite; es sind etwa die Jahre 1000 und 1200.
Die hier noch mangelnde genaue chronologische Fixirung hat in über-
raschender Weise ein anderes Grabfeld bei Gamebl (bei Wismar) im
alten Obotritenlande geboten, mit welchem wir unsere Uebersicht schliessen,
wie es denn bis jetzt den Schlussstein unserer Vorgeschichte bildet. Dort
ist man beim Kiesfahren auf ein ausgedehntes Grabfeld gestossen, gelegen
wie gewöhnlich auf einem Sachen Sandberge. Nach einigen dabei ge-
fundenen Scherben scheint es, dass ein Urnenfeld spät-römischer Zeit
unmittelbar neben dem wendischen Grabfelde gelegen hat, also eine ähn-
liche Erscheinung, wie wir sie oben bei den Wohngruben von Lübz be-
merkt haben. Auch aut dem Skelettgräberfelde fanden sich zerbrannte
Gebeine, so dass auch hier das Zusammen Vorkommen von Brand und
Beerdigung festgestellt ist. Mit der liebenswürdigen und zuvorkommenden
Unterstützung des Herrn von Stralendorff aufGamehl hat der Unter-
zeichnete das Feld untersucht und gefunden, dass auch hier Reihen mit
westöstlicher Lagerung der Leichen in geringer Tiefe (etwa 50 cm) be-
standen , doch blickte der Kopf nach christlicher Sitte stets nach Osten.
Särge sind nicht gefunden, aber mehrmals Steinsetzungen am Kopfe, um
diesen iu seiner Lage zu halten; es waren gewöhnlich einzelne Steine,
einmal eine mauerartige Aufsetzung. Die Gebeine waren ziemlich mürbe,
doch konnten mehrere Schäde) gerettet werdeu, welche denen von Bobzin
ähnlich überwiegend knrzköptig nnd langgesichtig sind. Von höchstem
Interesse nun war eine Gruppe von etwa (i Beerdigten, welche nahe bei
einander waren. Der eine trug zwei liohie Schiäfenringe (ein eigenartiger
an einem Bande oder Riemen getragener Kopfschmuck) am Unterkiefer,
verziert mit einfachen dachen Linien, in der Gürtelgegend einen kleinen
Gürtelhaken von Bronze verziert mit Linien in Tremoiirstich, daran quer
über dem Leibe ein eisernes Messer, an dem die Ilornscha'e und der
Lederüberzug noch wollt erkennbar sind; auf diesem Messer lag eine kleine
Silbermünze; und aus der Mundhöhie kam eine goldene einseitig geschlagene
Münze (Brakteat) zum Vorschein, weiche durch eine kleine Oese und eine
Nadel auf der Rückseite zum Medaillon gestattet war. Nach freundticher
Mittheiiung des Herrn Dr. Menadier vomKönigl. Münzcabinet in Berlin
ist die Silbermünze, welche auf der einen Seite ein breites Kreuz mit der
 
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