Ausgrabungen und Funde.
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verwilderten Legende RIIEIIENS1S, auf der andern ein Ankerkreuz und
die Buchstaben PARFIEN.. .NSIS trägt, ein in Bordowiek geschlagener
Pfennig aus der Zeit Heinrich des Löwen. Der Goidbrakteat hat ein bis
an die Ränder gehendes Kreuz mit halbmondförmiger Ausbiegung an den
Enden, dazwischen einen kleinen Kreis mit Punkt. Die Umschrift lautet
O E H N O IE; sie wird den Namen des Münzmeisters enthalten. Das
so gestaltete Kreuz ist das Münzzeichen der angelsächsischen Münzen aus
der Zeit des unglücklichen Königs Ethelred II (978—1016), welches der
grosse Dänenkönig Knut (1016—1035) nach der Eroberung Englands über-
nommen und seine Nachfolger auch in Dänemark beibehalten haben. Das
Vorkommen englischer und dänischer Münzen dieser Zeit auf mecklen-
burgischem Hoden hat nichts Befremdendes. Die Wenden waren im elften
Jahrhundert regelmässige Theilnelnner an den Raub- und Eroberungszügen
der Dänen; und der Obotritenfürst Gottschalk (1042—1066) gehörte zu
der engsten Umgebung (den Iluskarlen) Knuts bis zu dessen Tode. Wenn
in dem vorliegenden Falle die Münze mit dem Kreuzeszeichen dem Todten
in den Mund gesteckt wurde, so soll er damit offenbar als Christ docu-
mentirt werden in einer Zeit des Uebergangs, wo altheidnische Volks-
gebräuche von christlicher Sitte erst abgelöst wurden. So hndet sich auch
in merowingischen Gräbern am Rheine der Todtenobolus noch in un-
zweifelhaft christlicher Zeit, ganz zu schweigen von dem Norden, wo das
heidnische Symbol des Thorshammers sich zäh neben dem Kreuze be-
hauptet hat. Auch die anderen Beerdigten zeigten eine entsprechende
Ausstattung mit eisernen Messern, zum Theil mit bronzenem Scheiden-
Ende, ferner silbernen und bronzenen Schläfenringen. Der eine trug auf
der linken Schulter eine Scheibe von 6 cm Durchmesser zum Zusammen-
halten des Gewandes, welche sich bei genauerer Untersuchung als ein
Brakteat von dünnem Silberblech, der auf einer Bronzescheibe aufgelöthet
war, herausstellte. In der Mitte sitzt in einem Vierpass eine Christus-
gestalt mit Zackennimbus, die Rechte segnend erhoben , mit der Linken
ein Buch haltend; auf dem äusseren Streifen ein Gewühl von phantasti-
schen Thieren , wohl geflügelten Drachen mit zerrissenen Leibern; auch
hier also ein starkes Betonen des Christenthums.
Durch die Heinrichsmünze wird die Zeit der Gräber sicher bestimmt.
Sie gehören in die zweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts, in die Zeit
des letzten Ringens der selbstständigen Wenden mit den Deutschen und
dem Christenthum. Die Gamehler Wenden sind die Obotriten
Niklots oder Pribislavs; zum ersten Male treten uns Zeugen dieser
denkwürdigsten Periode der älteren Mecklenburgischen Geschichte leib-
haftig entgegen. Kaum 5 Kilometer von unserem Grabfelde entfernt, liegt
Ilow, eine der bekannten Hauptburgen Niklots und seiner Söhne. Zu
den Burgmannen von Ilow werden auch diese Wenden gehört haben.
Herr Geheimrath Dr. E. Wagner in Karlsruhe hat die Güte, uns
über einige vorgeschichtliche Ausgrabungen und Erwerbungen vorgeschicht-
licher Funde für die grossherzoglichen Sammiungen für Aitertliums- und
Völkerkunde Folgendes mitzutheiien:
1. In der Nähe von Munzingen, Amt Freiburg, am südöstlichen
Ende des Tunibergs ist die schon früher von Geh. Rath A. Ecker ge-
fundene, in Baden bis jetzt einzige menschliche Ansiedelung aus der
ersten Steinzeit, in welcher hier das Rennthier iebte, wieder berührt
worden. Professor Dr. Steinmann in Freiburg erkannte ihre Spuren in
einer dünnen Schicht im Löss in von) Herdfeuer geglühten Steinen und
zahlreichen kleinen Fenersteinwerkzeugen. Sie wird von einem Hohlwege
durchschnitten, an dessen einer Seite sie sehr bald verschwindet, während
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verwilderten Legende RIIEIIENS1S, auf der andern ein Ankerkreuz und
die Buchstaben PARFIEN.. .NSIS trägt, ein in Bordowiek geschlagener
Pfennig aus der Zeit Heinrich des Löwen. Der Goidbrakteat hat ein bis
an die Ränder gehendes Kreuz mit halbmondförmiger Ausbiegung an den
Enden, dazwischen einen kleinen Kreis mit Punkt. Die Umschrift lautet
O E H N O IE; sie wird den Namen des Münzmeisters enthalten. Das
so gestaltete Kreuz ist das Münzzeichen der angelsächsischen Münzen aus
der Zeit des unglücklichen Königs Ethelred II (978—1016), welches der
grosse Dänenkönig Knut (1016—1035) nach der Eroberung Englands über-
nommen und seine Nachfolger auch in Dänemark beibehalten haben. Das
Vorkommen englischer und dänischer Münzen dieser Zeit auf mecklen-
burgischem Hoden hat nichts Befremdendes. Die Wenden waren im elften
Jahrhundert regelmässige Theilnelnner an den Raub- und Eroberungszügen
der Dänen; und der Obotritenfürst Gottschalk (1042—1066) gehörte zu
der engsten Umgebung (den Iluskarlen) Knuts bis zu dessen Tode. Wenn
in dem vorliegenden Falle die Münze mit dem Kreuzeszeichen dem Todten
in den Mund gesteckt wurde, so soll er damit offenbar als Christ docu-
mentirt werden in einer Zeit des Uebergangs, wo altheidnische Volks-
gebräuche von christlicher Sitte erst abgelöst wurden. So hndet sich auch
in merowingischen Gräbern am Rheine der Todtenobolus noch in un-
zweifelhaft christlicher Zeit, ganz zu schweigen von dem Norden, wo das
heidnische Symbol des Thorshammers sich zäh neben dem Kreuze be-
hauptet hat. Auch die anderen Beerdigten zeigten eine entsprechende
Ausstattung mit eisernen Messern, zum Theil mit bronzenem Scheiden-
Ende, ferner silbernen und bronzenen Schläfenringen. Der eine trug auf
der linken Schulter eine Scheibe von 6 cm Durchmesser zum Zusammen-
halten des Gewandes, welche sich bei genauerer Untersuchung als ein
Brakteat von dünnem Silberblech, der auf einer Bronzescheibe aufgelöthet
war, herausstellte. In der Mitte sitzt in einem Vierpass eine Christus-
gestalt mit Zackennimbus, die Rechte segnend erhoben , mit der Linken
ein Buch haltend; auf dem äusseren Streifen ein Gewühl von phantasti-
schen Thieren , wohl geflügelten Drachen mit zerrissenen Leibern; auch
hier also ein starkes Betonen des Christenthums.
Durch die Heinrichsmünze wird die Zeit der Gräber sicher bestimmt.
Sie gehören in die zweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts, in die Zeit
des letzten Ringens der selbstständigen Wenden mit den Deutschen und
dem Christenthum. Die Gamehler Wenden sind die Obotriten
Niklots oder Pribislavs; zum ersten Male treten uns Zeugen dieser
denkwürdigsten Periode der älteren Mecklenburgischen Geschichte leib-
haftig entgegen. Kaum 5 Kilometer von unserem Grabfelde entfernt, liegt
Ilow, eine der bekannten Hauptburgen Niklots und seiner Söhne. Zu
den Burgmannen von Ilow werden auch diese Wenden gehört haben.
Herr Geheimrath Dr. E. Wagner in Karlsruhe hat die Güte, uns
über einige vorgeschichtliche Ausgrabungen und Erwerbungen vorgeschicht-
licher Funde für die grossherzoglichen Sammiungen für Aitertliums- und
Völkerkunde Folgendes mitzutheiien:
1. In der Nähe von Munzingen, Amt Freiburg, am südöstlichen
Ende des Tunibergs ist die schon früher von Geh. Rath A. Ecker ge-
fundene, in Baden bis jetzt einzige menschliche Ansiedelung aus der
ersten Steinzeit, in welcher hier das Rennthier iebte, wieder berührt
worden. Professor Dr. Steinmann in Freiburg erkannte ihre Spuren in
einer dünnen Schicht im Löss in von) Herdfeuer geglühten Steinen und
zahlreichen kleinen Fenersteinwerkzeugen. Sie wird von einem Hohlwege
durchschnitten, an dessen einer Seite sie sehr bald verschwindet, während