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Prähistorische Blätter — 7.1895

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Heft Nr. 4
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Naue, J: Ausgrabungen und Funde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32434#0082
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Ausgrabungen und Funde.

funde), für Handhacken zum Auflockern des Bodens oder eine Art Pflugschar
gehalten, wozu die Form auch sehr geeignet sein würde, doch ist diese
Deutung bei dem vorliegenden Stück mit seiner glatten Schärfung unhalt-
bar; dasselbe diente wohl zum Spalten, sei es durch Hauen oder Keilen.
5. Der Gnade Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs verdankt die
Sammlung die Erwerbung eines seltenen und interessanten Alterthumsstückes,
eines sog. „Eidnngs" aus der Bronzezeit. Es ist ein vortrefflich erhaltener
offener Goldring von 60 Gramm Gewicht, fast halbrund und etwa 6,25 cm
Durchmesser, gebildet aus einer ovalen Goldstange, die nach den Enden zu
dünner wird und in zwei schalenförmige Enden von 1 cm Durchmesser
schliesst; an dem spitzen Ende ist er verziert mit senkrechten Einkerbungen,
welche durch vier Paare flacher mit Schrägstricheln verzierter kleiner
Erhebungen unterbrochen werden. Ursprünglich hat die offene Schaale wohl
zur Aufnahme einer Füllmasse (Bernstein, Glasemail oder dergl.) gedient.
Die Schweriner Sammlung besitzt bereits drei dem neuen sehr ähnliche
Ringe, gefunden bei Woosten (bei Goldberg), Wohlenhagen (bei Wismar) und
Oranzi (bei Lübz). Auch dieses sind Einzelfunde. Doch macht ihre zeit-
liche Stellung keine Schwierigkeiten. Das Verzierungssystem durch ein-
gekerbte und gestrichelte Linien wiederholt sich in genau derselben Weise
an zahlreichen Ilandringen der Bronzezeit, so dass wir allein daraufhin
berechtigt wären, auch unseren Ring dieser Periode zuzuschreiben. Noch
weiter führen Funde in anderen Ländern, wo solche Ringe in der That in
bronzezeitlicben Fundstätten angetroifen sind. So fand sich ein „Eidring"
bei Ilohenwalde bei Landsberg a/d. Warthe in einem Thongefässe zusammen
mit S26 bronzenen tutuli (kleine Schmuckstücke zum Ansetzen in Hütchen-
form), deren Spitze z. Th. durch Vogelgestalten gebildet wird. Diese tutuli
mit Vogelgestalt kommen auch in Mecklenburg vor und gehören in die
jüngere Bronzezeit. In dieser Periode ist die Ausstattung der Gräber eine
dürftige, und fast sämmtliche Funde sind Depotfunde im Boden oder in
früheren Seen, jetzigem Moor. So erklärt es sich, dass diese Ringform
niemals bei uns in Gräbern gefunden ist, während die älteren Ringformen
(mit ineinander greifendem spiraligem oder glatt abschneidendem Ende) ihre
Ilauptfundstelle in den sog. „Kegelgräbern" haben; wie z. B. erst vor einigen
Monaten ein solcher älterer Ring in dem grossen Kegelgrabe bei Blengow
(bei Neubukow) gefunden ist. Die Heimath dieser Ringe ist ohne Zweifel
das Ostseegebiet; wir haben in ihnen Zeugnisse einer einheimischen Metall-
technik, welche in dieser Zeit, der auch die bekannten herrlichen Hänge-
gefässe entstammen, eine hohe Blüthe erreicht hatte; Das beweist die
Ornamentik, welche der nordischen Bronzezeit eigentümlich ist, und ihr
Verbreitungsgebiet. Westlich gehen sie über die Elbe nicht hinaus, nach
Süden ist der Fund von Landsberg der letzte, nach Osten einige Funde bei
Danzig; nach Norden kommen sie noch im südlichen Schweden vor. In
diesem ganzen Gebiete ist ihre Verbreitung eine ziemlich gleichmässige; es
ist dasselbe Gebiet, in welchem die jüngere nordische Bronzezeit sich ent-
wickelt hat. Eine genauere zeitliche Begrenzung nach Jahreszahlen zu
geben, ist noch nicht angängig; es sind noch sehr weite Zwischenräume,
innerhalb derer unsere Vorgeschichte spielt. In den Jahrhunderten um die
Mitte des Jahrtausends vor Christi Geburt müssen jene Bronzen und ent-
sprechenden Goldsachen gefertigt sein: Weiteres kann man bei Innehaltung
der in diesen dunklen Zeiten doppelt gebotenen Vorsicht füglich nicht sagen.
Man bezeichnet diese Ringe gewöhnlich als „Eidringe", weil man in einer
Periode vorgeschichtlicher Forschung, welche es mit chronologischen Be-
stimmungen noch weniger genau nahm, eine Darstellung in alten nordischen
Sagen, nach welcher der Schwörende einen auf dem Altar liegenden Ring
in die Hand nehmen musste auf diese Ringe beziehen zu dürfen glaubte.
 
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