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Prähistorische Blätter — 7.1895

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Heft Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.32434#0127
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Eitteratur.

97

Eine bedeutende Abweichung Ton den eben besprochenen Strichen zeigen
das auf Tafel 11, Nr. III abgebildete Fragment und der auf Tafel I, Nr. II
reprodücirte Gürtel. Gegenüber den ruhigeren Stellungen der Thiere auf
den vorgenannten Gürtein fäilt hier die lebhafte Bewegung der Thiere auf.
Während erstereprocessionsartig angeordnet sind, sehen wir die phantastisch
gebildeten Thiere auf Taf. II, Nr. 111 und Taf. I, Nr. II gegenübergesteilt.
Besonders aber macht sich das Bestreben bemerkbar die einzelnen Thiere
oder auch die Gesammtcoinposition noch ornamentaler als bei den übrigen
zu behandeln. Durch dieses Streben scheint zum Theil der hier deutlich
erkennbare und auch in der altorientalischen und altgriechischen Kunst
nachgewiesene „horror yacui" begründet, welcher die leeren Räume fast
durchweg mit Vögeln und Schlangen oder mit verschiedenen geometrischen
Ornamentmotiven ausfüllt. Allerdings wurden die Umrisse der Thiere da-
durch beeinträchtigt und das Ganze unruhig und verworren. Auch bei den
zuerst besprochenen Gürteln mit Thierdarstellungcn lassen sich Füllungs-
ornamente bemerken (Taf. I, Nr. I; Taf. II, Nr. V; Taf. IV, Nr. XVIII,
wozu noch Taf. IV, Nr. XVI kommt), doch sind dieselben in ganz be-
schränkter Weise verwendet, und nur derart, dass die Gesammtcomposition und
die Silhouetten dadurch unbeeinträchtigt bleiben. Das Alles deutet, meines
Erachtens, auf verschiedene Kunstanschauungen oder auf verschiedene
Schulung hin, die aber einem Centrum angehören.
Betrachten wir die bei den starkbewegten Compositionen verwendeten
Thiere, so sehen wir, dass die grosse Mehrzahl derselben phantastisch
umgebildet ist, in Folge dessen nur die Hirsche richtig bestimmt
werden können; bei anderen ist es fraglich, ob diese oder jene Art gemeint
ist, und wieder andere sind Mischwesen, wie die Greifen- und Büffelpferde.
Bei fast sämmtlichen Thieren und auch bei den beiden mit eigenartigen
Köpfen versehenen Männern (Taf. I, Nr. II; Taf. IV, Nr. XVII) sind alle
Körpertheile mit Strichen, Punkten und Ornamenten ausgefüllt — ein eigen-
artiger Zug dieser frühen Kunst, welcher seine Begründung findet zunächst
in ,dem „horror vacui", dann aber auch in der Unfähigkeit, die Körper
durch die Wiedergabe der Muskulatur. Knochenansätze u. s. w. zu beleben.
Nach Allem haben wir es mit einer Kunstübung zu thun, welche, auf eine
lange Ueberlieferung und eigenartige Anschauung gestützt, im Laufe der
Zeit diese phantastischen Umbildungen hervorbrachte. Man arbeitete wohl
in erster Linie nach den in den verschiedenen Werkstätten gebräuchlichen
Vorlagen oder den durch die Mode gebotenen Vorbildern, wobei man zu
der ornamentalen Umbildung kam. Andererseits zeigt sich manchmal eine
frische Naturbeobachtung und ein Brechen mit der Ueberlieferung, so z. B.
auf Taf. IV, XVI.
Auch wir sind — in Uebereinstimmung mit dem Verf. — davon über-
zeugt, dass durch die transkaukasischen Gürtel „für ein Gebiet, an welches
die ältesten Sagen anknüpfen, der thatsächliche Beweis geliefert ist, dass
daselbst schon sehr früh eine überraschend hochentwickelte und selbständig
weiter ausgebildete Metallindustrie geblüht haben muss, die jedoch an dieser
Stelle nicht ihren Anfang genommen hat."
Bezüglich der Provenienz sei ein Hinweis gestattet auf die alte „Dipylon-
cultur", welche vor allem in ihrem reichen, durch Thongefässe überlieferten
Ornamentschatz mancherlei Beziehungen zu dieser transkaukasischen In-
dustrie aufweist und auch in einigen Zügen der Composition ähnliche Ziele
verfolgt. Daneben dürfte die griechisch orientalisirende Richtung einige
wichtige Aufschlüsse geben, so besonders in Bezug auf das Streben nach
Füllung der leeren Räume und auf einige etwas realistische Thierdarstellungen.
Weiter auf diese interessante Frage einzugehen, scheint hier nicht am Platze.
Jedenfalls sind wir dem hochverehrten Verfasser zu grossem Danke ver-
 
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