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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0116

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Karls des Grossen Culturbestrebungen.

das Christenthum und sein Zusammentreffen mit der germanischen Nationalität
ein Ereigniss von grösster Tragweite. War bis dahin die neue Lehre in
dem weströmischen und byzantinischen Reiche gleichsam nur eine alther-
gebrachte Tradition gewesen, so traf sie bei den Germanen mit einem
tiefen innigen Gemüthsleben zusammen, mit einem Volkscharakter, der
durch die Vereinigung mit derselben erst seinen vollen Werth empfing.
Freilich musste auch das Christenthum, bevor es recht eigentlich in das
Volksleben hinüberdringen konnte, durch mancherlei gewaltsame Er-
eignisse vorbereitet werden. Es fehlte nicht an jenen gewaltsamen Con-
trasten und Krisen, welche stets zu überwinden sind, wo ein Barbarenvolk
plötzlich mit einer höheren Cultur zusammentrifft. Auch konnte das
Christenthum so unmittelbar und durch sich allein seinen Eingang nicht
finden. Es war eine festere Grundlage nöthig und eine strengere Ordnung
als die bisherige gewesen war, damit es ganz und ruhig gedeihen konnte.

Es ist Karls des Grossen Verdienst den Gährungskampf beschlossen
und der Welt eine äussere Einheit und eine übersichtliche Ordnung ver-
liehen zu haben. Wir dürfen uns der Aufgabe entheben, das Wachsen
und Werden der neuen Macht und die Kämpfe zu verfolgen, durch welche
sich dieselbe erprobt hat. In den ersten drei Jahrzehnten war der Kaiser
überwiegend von kriegerischen Unternehmungen in Anspruch genommen.
Erst später, als er den Waffenruhm seinen Söhnen überliess, ward er der
gepriesene Förderer der Künste und Wissenschaften. Von der Achener
Pfalz, dem Brennpunkte der neuen Bildung, verbreiteten sich ihre Strahlen über
das ganze Reich. Das Ziel, welches Karl erstrebte, war ein doppeltes: durch
fortwährende Rückblicke auf die Cultur des Alterthums sollte die Geist-
lichkeit sich bilden, durch die Förderung der heimischen Sprache und Dich-
tung das Bekehrungswerk erleichtert werden. Trat dann freilich das letztere
Streben hinter dem anderen zurück, so war die'ss durch die damaligen Ver-
hältnisse geboten, denn einer Bildung auf wahrhaft nationaler Grundlage
wehrte theils die geringe Entwickelung des volksthümlichen Lebens, theils
auch die Furcht vor den starken heidnischen Elementen, welche stets noch
fortwirkten. Ueberhaupt konnte sich jenes Ideal, welches Karl dem Grossen
vorschwebte, doch nur in seiner nächsten Umgebung verwirklichen. Hier
aber lebte der Kaiser, wie Theodorich, umgeben von den bedeutendsten
Männern seiner Zeit, und wie Er ein erhabenes Vorbild im Lernen gab,
so wurde dasselbe auch von seinen Grossen gewünscht. Auch die Künste
fanden in Karl einen lebhaften Gönner. Er hielt es seiner Würde an-
gemessen, wahrhaft kaiserliche Denkmäler zu hinterlassen. Dass hiefür die
Antike in erster Linie ihre Vorbilder lieferte, ist selbstverständlich. Während
seines mehrmaligen Aufenthaltes in Italien hatte er alle Gelegenheit ge-
funden, die Schöpfungen des Alterthums kennen zu lernen, und dass die-
 
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