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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0347

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312

Viertes Buch.

VIERTES BUCH.

DER GOTHIS CHE STIL.

ERSTES KAPITEL.

EINLEITUNG.

Schon in der vorhergehenden, romanischen Epoche waren Erschei-
nungen zu beobachten, welche auf eine Aenderung des bisher gültigen
Stiles deuteten. Dahin gehört das Auftreten des Spitzbogens, der bereits
in der Klosterkirche von Payerne und den zürcherischen Bauten nach-
gewiesen wurde. Im Münster zu Basel zeigte sich ausserdem eine un-
gewöhnlich reiche Entwickelung der Choranlage, mitunter endlich hatte
auch im Detail dieser Bauten ein Verlassen der streng romanischen
Formen stattgefunden. Allein diese Erscheinungen waren bisher ver-
einzelt geblieben, ohne Consequenzen und selbst ein gleichzeitiges Auf-
treten war nicht zu beobachten. Scheinbar also waren es zufällige Aen-
derungen, absichtslose Neubildungen, die sich einzeln in den romanischen
Baustil mischten. Fasst man dagegen die Wandlung ins Auge, die sich
anderswo schon seit dem XII. Jahrhundert der Baukunst zu bemächtigen
begann und erforscht man die Bedingungen, unter denen sich dieselbe
vollzog, so steht der Zusammenhang jener Erscheinungen mit einem
grösseren Entwickelungsprocesse ausser Zweifel.

Allerdings ist der Uebergang, wie er sich in den heimischen Monu-
menten beobachten lässt, ein äusserst leiser. Noch immer besteht ein
starker Rest der romanischen Architektur, der bald im Detailschmucke
fortlebt, bald in der Construction die Oberhand behält. Ueberall, wo wir
die Monumente aus dieser Uebergangsepoche untersuchen, gewahren wir
einen Conflict zwischen dem Streben nach gothischer Praxis und der Ge-
bundenheit romanischer Traditionen; hier ein Ringen, mit Hülfe der neuen
Elemente in kühnem Anlaufe etwas Selbständiges zu fördern und dann
 
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