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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0794

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75ö

Fünftes Kapitel.

haltenen, die in gothischem Stile gearbeitet wurden. Der Standort, den
sie früher eingenommen, ist unbekannt; gegenwärtig sind sie in drei Doppel-
reihen an der Langwand des südlichen Seitenschiffes placirt. Ihre Be-
krönung mit einer Folge von übereck gestellten und concav geschweiften
Tabernakeln erinnert an die der Chorstühle von Freiburg, nur mit dem
Unterschiede, dass hier, in Lausanne, diese Architekturen viel reicher und
stets wechselnd mit virtuos geschnitzten Verästungen, Blumen, Ranken-
gewinden und dergl. geschmückt sind. An den Hochwänden erscheinen
nach üblicher Weise die markigen Relieffiguren der zwölf Apostel, jeder
mit einer Bandrolle versehen, auf welcher — hier zum ersten Male in
Capitalschrift — die Sprüche des Credo verzeichnet sind. Ausserdem sieht
man zweimal die lebensvolle Porträtgestalt des Bischofs Aymon de Mont-
faucon, der kniend das eine Mal von Johannes dem Täufer und S. Bene-
dict der hl. Katharina, und dann wieder durch sechs ritterliche Heilige
von der thebäischen Legion der Madonna empfohlen wird. Die Miseri-
cordien und die Sitzgriffe sind hier, wie an den genferischen Chorstühlen,
zum Theil mit launigen und sogar mit lasciven Vorstellungen geschmückt.1)
An den Schlussfronten sind oben als freistehende Statuen hier Adam und
Eva und gegenüber zwei Engel jeweilig mit dem bischöflichen Wappen
dargestellt, darunter als Reliefs die Verkündigung an die Hirten und die
Gestalt eines Propheten. Von den Schmalfronten der vorderen Reihe ist
nur noch die eine mit einem Relief, die Anbetung der Könige darstellend,
geschmückt.

FÜNFTES KAPITEL.

DAS GOTHISCHE HANDWERK.

SCHLUSS.

Oft sind es kleine Züge, Aeusserungen, scheint es, untergeordneter
Art, die einen tieferen Einblick in den Grund der Ereignisse und Zustände
des Lebens eröffnen, als die grossen Handlungen, von denen die Geschichte
in erster Linie eine Kunde bewahrt. — Auch die Kunstgeschichte hat
Stellen, wo wir das Kleine berathen, sei es, um daraus die Wechselwir-
kung zwischen den mannigfaltigen Zweigen des Schaffens, sei es, um die

Eine einlässliche Beschreibung der Chorstühle von Lausanne findet sich in
einer Broschüre von F. N. Le Roy, Une visite ä la cathedrale de Lausanne. Les
Stalles. Genf (ohne Jahreszahl).
 
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