Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0033

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EINLEITUNG.

DIE STELLUNG DER MITTELALTERLICHEN KUNST IN
DER SCHWEIZ UND IHRE WISSENSCHAFTLICHE
BEHANDNUNG.

Ein jeder Blick auf die Ergebnisse der neueren Forschungen lässt
den Umschwung erkennen, der sich des wissenschaftlichen Lebens bemäch-
tigt hat. Täglich kann man beobachten, wie ein Streben aus den grösseren
und umfassenderen Gebieten hinaus zur Beherrschung einzelner und zu-
nehmend begrenzter Stoffe beginnt. Disciplinen, die vor einem Jahrhunderte
noch in -einem grossen einheitlichen Verbände behandelt wurden, sind heute
in eine Summe von Specialgebieten zerfallen. Der Begriff der Universalität,
den die Renaissancisten des Quattro- und Cinquecento in so grossartiger
Weise vertraten, der Polyhistor des vorigen Jahrhunderts, das sind Er-
scheinungen, die uns auf dem Standpunkte der Gegenwart ebenso fremd-
artig wie unbegreiflich wären.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der Kunstwissenschaft insbesondere.
Nicht nur dass die heutigen Voraussetzungen eine gleichmässige Beherr-
schung der antiken und der neueren Kunstgeschichte verbieten, sondern es
hat sich die Summe der täglich wachsenden Kenntnisse und Vorarbeiten
derart vermehrt, dass auch innerhalb der angedeuteten Grenzen eine Thei-
lung unvermeidlich wird, sobald die Arbeit eine kritische und selbständige
sein soll.

Diese auf allen Gebieten der Wissenschaft bemerkbare Wandlung trifft
in der Kunstgeschichte mit der neueren Methode zusammen, die sich im
Gegensätze zu der ästhetisch-philosophischen Behandlungsweise, wie sie noch
im vorigen Jahrhunderte herrschend war, einer vorwiegend historisch-
kritischen Richtung zugewendet hat. Wir sind nicht mehr gewohnt uns
mit einem rein ästhetischen Urtheile zu begnügen, sondern wir verlangen
zugleich die Verhältnisse des Kunstwerkes zu dem äusseren Leben kennen
zu lernen, die Bedingungen zu erforschen, welche den einzelnen Erschei-
nungen zu Grunde liegen, die Zustände endlich, welche fördernd oder hem-
mend die künstlerische Productivität beeinflussten. Mit anderen Worten

Rahn, Gesch. d. bild. Künste. I
 
Annotationen