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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0115

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Viertes Kapitel. Die Kunst im karolingischen Zeitalter.

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Hinsicht eine entschiedene Neuerung, sondern sie sind auch in technisch-
statischer Beziehung als die Glieder einer besonderen Entwickelung be-
merkenswerth, einer Entwickelung an der sich die Baukunst des Orients
und des Abendlandes mit gleichem Antheile und mit einer Reihe epoche-
machender Monumente bethätigt. S. Lorenzo in Mailand, S. Vitale in
Ravenna, und SS. Sergius und Bacchus in Constantinopel sind solche
Denksteine, die Schritt für Schritt die steigende Erkenntniss constructiver
Tüchtigkeit und räumlicher Grösse vergegenwärtigen, bis endlich die Bau-
kunst des Orients diese Entwickelung, zu einer zweiten Phase führt, um
mit dem einen Elemente des Rundbaus, mit der Kuppel, das Höchste zu
leisten, was überhaupt mit dieser Form zu erreichen war. Die Sophien-
kirche in Constantinopel, ein Bau den Kaiser Justinian in den Jahren 532
bis 537 errichten liess, ist das erste Denkmal der byzantinischen Architektur.
Von da an trennen sich die Wege des Orients und des Abendlandes. Zwar
sind auch hier, im Abendlande, noch Rundbauten in grosser Zahl errichtet
worden, allein ihr Gebrauch beschränkt sich fast ausschliesslich für be-
stimmte Cultuszwecke, sie dienten als Baptisterien, als Grabkapellen und
Schlosskirchen und ihre Form blieb auch bei grösserem Massstabe entweder
diejenige einer einfachen Rotunde, oder sie entsprach dem System, das sich
schon im vierten Jahrhunderte in der Kirche S. Constanza herausgebildet hatte.

VIERTES KAPITEL.

DIE KUNST IM KAROLINGISCHEN ZEITALTER.

ERSTER ABSCHNITT.

ARCHITEKTUR.

Wie sich im Menschenleben die Generationen ablösen, wie der Fall
der einen das Ringen und Streben anderer nach künftiger Grösse bedingt,
so verhält es sich ähnlich in der Kunst. War die bisherige Entwickelung
derselben ausschliesslich von den alten Culturländern im Osten und im süd-
lichen Europa ausgegangen, so tritt seit dem Schlüsse der alten Geschichte
eine neue Weltmacht, die der germanischen Völker, künstlerisch schaffend
in unserem heimathlichen Norden auf. Allerdings wrar der Process, welcher
zu diesem Umschwünge führte, ein langsamer und der Grad der Empfäng-
lichkeit bei den verschiedenen Stämmen ein sehr ungleicher. Es bedurfte
einer gewaltigen Macht, um diese Völker zu höherem Bewusstsein zu lenken
und den Trieb nach geistiger Thätigkeit zu erwecken. Diese Macht war

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