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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0188

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Das romanische Bausystem.

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Chur). Zu bemerken ist endlich, dass sich zwischen diesen drei Stilepochen
■eine gleichmässige chronologische Begrenzung nicht durchführen lässt, sondern
wir begegnen vielmehr überall jenem naturgemässen Unterschiede zwischen
denjenigen Gegenden, von denen die Initiative zur Neuerung ausgeht, und
.anderen Punkten, welche sich wieder mehr passiv verhalten und die neuen
Elemente nur langsam und schüchtern aufnehmen.

ZWEITES KAPITEL.

DAS ROMANISCHE BAUSYSTEM.

Schon im karolingischen Zeitalter war eine deutliche Einwirkung ger-
manischer Elemente auf die Kunst zu verspüren. Indessen es blieb bei
einzelnen vorherrschend äusserlichen Erscheinungen, zu einer eigentlichen
Verschmelzung dieser neuen Formen und Gedanken mit dem antiken
.Systeme kam es noch nicht. Es fehlte hiezu die gestaltende Kraft, welche
diese Elemente sofort entwickelt und mit denselben eine durchgreifende
Umbildung des bisher überlieferten Stiles versucht hätte. Aber es fehlte
auch die äussere Grundlage, eine neue dem germanischen Charakter völlig
entsprechende Ordnung in Staat und Sitte, denn es ist ja bekannt wie Karls
des Grossen Bestrebungen im Grunde genommen doch nur auf eine Wieder-
herstellung der altrömischen Universalherrschaft zielten und dass auch
die Ideale, welche dem Kaiser in Wissenschaften und Künsten vorschwebten,
wesentlich auf antiker Grundlage beruhten. Erst die Kämpfe, welche seit
dem Sturze der alten Reichsgewalt den Schluss des ersten Jahrtausends
füllten, riefen allmählig einen Umschwung der Dinge herbei, und wie aus
den Trümmern heraus sich allmählig eine Reihe nationaler Staaten sonderten,
so prägt sich das Streben nach einer Geltung eigenartiger Systeme und
Formen auch in dem künstlerischen Entwickelungsprocesse aus.

Der künstlerische Stil, der seit dem Beginn des XI. bis zum XIII. Jahr-
hunderte der herrschende wurde, führt in der Kunstgeschichte den
Namen des romanischen Stiles. Es ist dieser Ausdruck nun freilich nicht
in dem Sinne zu deuten, als ob jener Stil den Völkern romanischen Stammes
seinen Ursprung verdankte, oder dass er von ihnen speciell gepflegt worden
wäre, sondern es entspricht dieser Name lediglich dem Wesen des Stiles selbst,
der im Grunde genommen nichts anderes als eine Zersetzung und Befruchtung
der Antike durch die neuen germanischen Elemente versinnlicht, einen Process.
der auch auf sprachlichem Gebiete zu verfolgen ist, wo bekanntlich durch
eine ähnliche Verschmelzung altrömischer und germanischer Elemente die
 
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