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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0680

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Viertes Kapitel.

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die Köpfe lassen zuweilen keinen Zweifel über die Stimmung, die sie be-
seelt; aber im Ganzen und Grossen ist doch eine höhere Durchbildung
nirgends zu beobachten. Die Farben sind leuchtend aber derb und oft
in ganz naturwidriger Weise aufgetragen; rothe und blaue Bäume z. B.
sind keine seltenen Erscheinungen. Die Gewänder sind mit weichen aber
nicht sehr sorgfältig angelegten Massen schattirt, die Haare bei jugend-
lichen Personen gelb, bei alten grau oder blau. Sämmtliche Figuren end-
lich sind mit derben breiten Conturen umzogen, die braun die nackten
Theile und schwarz die Gewänder, Waffen u. s. w. begleiten. Ausser
diesen Miniaturen enthält der Codex eine Anzahl Initialen, die ähnlich
denen der Manessischen Liedersammlung mit schönen kalligraphischen Or-
namenten geschmückt sind.

Von Miniaturen biblischen und legendarischen Inhalts sind nur wenige
und dazu meist geringe Beispiele anzuführen. Die hervorragendsten Lei-
stungen dieser Art enthält die aus dem XIV. Jahrhundert stammende Bibel
No. 332 in der Stadtbibliothek zu S. Gallen: Initialen, Schluss- und
Randverzierungen, die ausserordentlich zart und fleissig mit der Feder ge-
zeichnet und mit vorwiegend gebrochenen Deckfarben ohne Anwendung
von Gold und Silber gemalt sind. Ausser den biblischen und sonst ge-
läufigen Motiven, darunter die Personificationen der Kirche und der Sy-
nagoge, eine Darstellung des Glücksrades u. s. w., sind es namentlich
eine Reihe von Karrikaturen, Halbwesen, kämpfenden und spielenden
Thieren, die, zum Theil wie Mönche gekleidet, durch ihre abenteuerlichen
Evolutionen und geistreiche Possenhaftigkeit überraschen.

VIERTES KAPITEL.

BI XV. UND XVI. JAHRHUNDERT.

Sparsam wie der Nachlass des XIV. sind auch die Denkmäler bil-
dender Kunst des XV. Jahrhunderts. Werke städtischen Kunstfleisses zu-
mal gehören zu den Seltenheiten, ländliche Schöpfungen aber, wenn auch
zahlreicher vertreten, sind nicht geeignet, ein Urtheil über die stilistischen
Wandlungen zu gestatten. Zeugen einer zurückgebliebenen Localkunst
und dazu meist handwerklichen Ranges, beruht ihre Bedeutung lediglich
auf dem stofflichen Interesse, welches sie darbieten.

Im Allgemeinen ergiebt sich, dass auch jetzt noch während geraumer
Zeit der alte idealistische Stil seine Herrschaft behauptete, und zwar auf
dem Gebiete der Plastik wie in der Malerei. Den Beweis in ersterer Hin-
sicht liefern die Standbilder am Fischmarktbrunnen zu Basel. Man
 
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