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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0230

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S. Gallen und Graubündten.

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abgetragen, nur der Thurm ist stehen geblieben, ein fremdartiges Ge-
bäude, das an den zierlichen Campanile von S. Giovanni e Paolo zu Ravenna
erinnert, im weitesten Umkreise aber Seinesgleichen nicht wiederfindet.1)
Ehedem an der Nordseite des Langhauses in gleicher Flucht mit der
östlichen Frontmauer gelegen, erhebt sich der Thurm auf einem schmuck-
losen viereckigen Unterbau, worauf der Hochbau mit abgerundeten Ecken
emporsteigt, ein glatter Cylinder, der nur zu oberst auf jeder Seite von zwei
übereinander befindlichen Gruppen gekuppelter Rundbogenfenster durch-
brochen ist (Fig. 38 S. 167).

Ein benachbartes ebenfalls höchst merkwürdiges Gebäude ist die
S. Georgskapelle bei Berschis oberhalb Wallenstadt, sehr malerisch auf
einem Felskopfe gelegen, wo heute noch die Spuren einer römischen
Niederlassung, vermuthlich einer Warte, zu sehen sind.2) Das augenschein-
lich aus dem XII. Jahrhundert stammende Gebäude ist von zweischiffiger
Anlage, mit einer halbrunden Apsis versehen und mit stark überhöhten
Gewölben bedeckt, die von kreuzförmigen Pfeilern und entsprechenden
Wandvorlagen ohne Basen und Kapitale getragen werden. Dieselbe An-
lage wiederholt sich mit geringen Abänderungen in der auf stolzer Höhe
gelegenen S. Lorenzkapelle bei Paspels im Domleschg (Graubündten), wo
indessen die Gewölbe zerstört, die mittleren Freistützen entfernt und das
dritte (östliche) Joch beim Neubau des Chores zur Hälfte abgetragen
worden ist.

In Chur, wo die südliche Langwand der Martinskirche3) mit
ihrem Aussenschmucke von hohen und schmalen Blendarcaden noch als
ein Rest der 1464 durch- Brand zerstörten romanischen Anlage zu be-
trachten ist, sind ausser dem später zu erwähnenden Dome die Ueber-
bleibsel einer Krypta unter der Kirche S. Lucius anzuführen. Die
ursprüngliche Anlage derselben bestand aus einer dreischiffigen Halle
mit einem halbrunden oder polygonen Abschlüsse im Osten, um den
sich die Seitenschiffe in Form eines tonnengewölbten Umganges fort-
setzten. Leider ist diese östliche Hälfte bis auf den schmucklosen
Umgang verschüttet. Der westliche' Theil der Krypta, zu dem man
auf einer breiten Treppe vom Schiff der Oberkirche hinabsteigt, besteht
aus sechs rechteckigen Jochen. Sie sind mit rippenlosen Kreuzgewölben
auf rechtwinkeligen Gurten bedeckt, die von stämmigen Rundpfeilern und

x) Anzeiger 1861. rS. 70. dazu 2 Tafeln.

2) Ferd. Keller, Statistik der römischen Ansiedelungen in der Ostschweiz.
Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Bd. XV. Heft 3.
pag. 66 (28). Anzeiger 1873. No. 1. S. 416.

A) Anzeiger 1872. S. 396.

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