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Rahn, Johann Rudolf
Geschichte der bildenden Künste in der Schweiz: von den ältesten Zeiten bis zum Schlusse des Mittelalters ; mit 2 Tafeln und 167 in den Text gedruckten Holzschnitten — Zürich, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.29817#0743

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Miniaturen.

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da nämlich, wo der Künstler in selbständigen Werken, in Miniaturen und
Tafelmalereien sich ergeht.

Schon im XIV. Jahrhundert war ein neuer Aufschwung der Miniatur-
malerei zu beobachten, der von den Hauptsitzen dieser Kunst in Frank-
reich und den Niederlanden belebend und umgestaltend auf die ganze Ent-
wickelung der Malerei überhaupt zu wirken begann. Ungehindert durch
die structiven Formen, fand hier der Künstler ein Feld zu freierem Schalten,
erwachte ein frisches Streben nach malerischer Wirkung, ein Gefühl für
wahren Ausdruck und Anmuth der Formen. Die Technik blieb im Wesent-
lichen dieselbe, wie sie im XIV. Jahrhundert geübt worden war: auf gol-
denem oder farbigem Grunde, an dessen Stelle wohl auch eine Landschaft
mit perspectivischer Tiefe tritt, werden die Bilder in Deckfarben, aber
fleissiger noch und zarter als bisher ausgeführt. Ein anderer Fortschritt
zeigt sich in der Verbesserung des Formenwesens, das weit mehr als früher
ein unmittelbares Studium der natürlichen Erscheinungen, den Zug zum
Realistischen verräth. Aber während in Tafelbildern diese neue Richtung
schon früh zu Verirrungen und krasser Uebertreibung führt, erscheint sie
in den Miniaturen gemildert durch die Kleinheit des Maassstabes und eine
bei allem Fleisse doch abgekürztere Behandlung des Einzelnen.

Die heimische Kunst, wie immer hinter den Fortschritten fremder Schulen
zurück, hat aus diesem Zeiträume nur wenige und meistens unerhebliche
Werke hinterlassen. Man muss, will man den Aufschwung kennen, den
die Miniaturmalerei im XV. Jahrhundert genommen hat, die Bilderhand-
schriften fremder Herkunft, zumal die stattliche Zahl von niederländischen
Manuscripten betrachten, welche die Stiftsbibliothek von Einsiedeln besitzt.1)

Aus der Frühzeit des XV. Jahrhunderts scheinen einige Bilderhand-
schriften in dem Kloster Engelberg zu stammen: das Psalter der „frouw
Blatmanin“ No. 4/13. Dasselbe enthält 26 seitengrosse aber sehr rohe
Miniaturen: drei Scenen aus der Jugendgeschichte des Heilandes, die ver-
schiedenen Passionsmomente bis zur Himmelfahrt Christi und der Maria,
eine Scene aus der Apokalypse; Christus ferner, der als Knabe die thöner-
nen Vögel belebt (aus den apokryphen Evangelien) u. s. w., endlich eine
Anzahl grösserer Initialen mit symbolischen Thieren, dem Strauss, Phönix
u. s. w. Alle Miniaturen sind eingenäht, woraus man schliessen könnte,
dass sie ausserhalb des Klosters verfertigt worden seien. Die Anordnung
der Scenen ist eine durchaus herkömmliche, die Ausführung mit Deckfarben

V Codices No. 170. 189. 190. 193. 194. 206—208. 211. 220. 233. 279. In der
Stadtbibliothek S. Gallen zwei Handschriften italienischer Herkunft No. 305 u. 308
(Livius aus Padua stammend), in der Stiftsbibliothek daselbst die italienischen
Codices No. 850 und 742. In der öffentlichen Bibliothek zu Basel das Papier-
manuscript No. F. III. 3, französischen oder burgundischen Ursprungs.

Rahn, Gesch. d. bild. Künste.
 
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