Kirchliche Werke.
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liehen Betriebes, der in den Klöstern mehr und mehr an die Stelle des
früheren Kunstfleisses trat.1)
Man begreift daher, dass nicht in diesen mühsam gepinselten Werken
die künstlerischen Fortschritte des XV. Jahrhunderts zu verfolgen sind; diese
zeigen sich in einer anderen Klasse von Bildern, deren technische Aus-
führung zwar eine ungleich flüchtigere, umso günstiger aber zur Verkörperung
der momentanen Einfälle und zur unmittelbaren Schilderung der alltäg-
lichen Erscheinungen war. Welche Vorzüge in der That die Wahl von
einfacheren Mitteln bot, zeigen die wahrscheinlich in den letzten Decennien
des XV. Jahrhunderts ausgeführten Bilder in dem Codex E. i. 4 in der
öffentlichen Bibliothek zu Basel. Die Einzelfiguren von Päpsten, die mit
allerlei wunderlichen Attributen erscheinen, sind bloss mit der Feder ge-
zeichnet, theilweise chraffirt und mit Tusche lavirt, einzelne Ornamente
u. dgl. gelb und die nackten Theile fleischroth bemalt; allein diese flüch-
tigen Bilder übertreffen die bisher geschilderten Werke nicht nur hinsicht-
lich der virtuosen Zeichnung, sondern ebenso sehr durch den kühnen Wurf
der Gewänder und die statuarische Kraft der Haltung. Aehnliche Bilder,
leicht colorirte Federzeichnungen, die Jugendgeschichte des Heilandes und
die Passionsscenen darstellend, enthält das deutsche Gebetbuch No. 283 in
Einsiedeln, 1482 von dem Presbyter Johannes Satler geschrieben.
Ueber der Frische und Unmittelbarkeit des Entwurfes werden oft die Ver-
hältnisse und ein richtiges Maass der Bewegungen vernachlässigt, auch
manches Manierirte läuft mit unter; dennoch sind die Vorzüge einer abge-
kürzten Technik auch in diesen flüchtigen und dilettantischen Werken nicht
zu verkennen.
Dass übrigens mit ebenso bescheidenen Mitteln auch Besseres zu leisten
war, beweist in derselben Bibliothek das Devotionale des S. Gallischen
Abtes Ulrich Rösch (1463—91), Cod. No. 285. Dasselbe enthält in Kiein-
Octav ausser zahlreichen von eleganten Ranken gebildeten, buntfarbig be-
malten und theilweise vergoldeten Initialen eine Reihe seitengrosser Minia-
turen; im Eingänge alttestamentarische Scenen von der Erschaffung bis zur
Gesetzgebung. Dann folgen die Jugenderlebnisse des Heilandes, seine
Reden und Wunder, eine weitere Suite von Bildern enthält die Gegenüber-
stellung der Tugenden und Laster; den Beschluss bilden 17 Darstellungen
aus der Passion bis zur Ausgiessung des hl. Geistes. Ziemlich geistlos sind
diese Scenen mit naiver Breite behandelt. Selbst in der Schilderung dra-
matisch erregter Vorgänge weiss sich der Künstler selten einer spiessbürger-
I) Spätgothische Miniaturen verwandten Stiles finden sich in den Codices
No. CXXII. und CLXVII. der Stiftsbibliothek Rheinau, jetzt in der Kantons-
bibliothek Zürich, und in dem aus der Karthause S. Margarethenthal stammenden
Codex No. C. V. t6 der öffentlichen Bibliothek zu Basel.
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liehen Betriebes, der in den Klöstern mehr und mehr an die Stelle des
früheren Kunstfleisses trat.1)
Man begreift daher, dass nicht in diesen mühsam gepinselten Werken
die künstlerischen Fortschritte des XV. Jahrhunderts zu verfolgen sind; diese
zeigen sich in einer anderen Klasse von Bildern, deren technische Aus-
führung zwar eine ungleich flüchtigere, umso günstiger aber zur Verkörperung
der momentanen Einfälle und zur unmittelbaren Schilderung der alltäg-
lichen Erscheinungen war. Welche Vorzüge in der That die Wahl von
einfacheren Mitteln bot, zeigen die wahrscheinlich in den letzten Decennien
des XV. Jahrhunderts ausgeführten Bilder in dem Codex E. i. 4 in der
öffentlichen Bibliothek zu Basel. Die Einzelfiguren von Päpsten, die mit
allerlei wunderlichen Attributen erscheinen, sind bloss mit der Feder ge-
zeichnet, theilweise chraffirt und mit Tusche lavirt, einzelne Ornamente
u. dgl. gelb und die nackten Theile fleischroth bemalt; allein diese flüch-
tigen Bilder übertreffen die bisher geschilderten Werke nicht nur hinsicht-
lich der virtuosen Zeichnung, sondern ebenso sehr durch den kühnen Wurf
der Gewänder und die statuarische Kraft der Haltung. Aehnliche Bilder,
leicht colorirte Federzeichnungen, die Jugendgeschichte des Heilandes und
die Passionsscenen darstellend, enthält das deutsche Gebetbuch No. 283 in
Einsiedeln, 1482 von dem Presbyter Johannes Satler geschrieben.
Ueber der Frische und Unmittelbarkeit des Entwurfes werden oft die Ver-
hältnisse und ein richtiges Maass der Bewegungen vernachlässigt, auch
manches Manierirte läuft mit unter; dennoch sind die Vorzüge einer abge-
kürzten Technik auch in diesen flüchtigen und dilettantischen Werken nicht
zu verkennen.
Dass übrigens mit ebenso bescheidenen Mitteln auch Besseres zu leisten
war, beweist in derselben Bibliothek das Devotionale des S. Gallischen
Abtes Ulrich Rösch (1463—91), Cod. No. 285. Dasselbe enthält in Kiein-
Octav ausser zahlreichen von eleganten Ranken gebildeten, buntfarbig be-
malten und theilweise vergoldeten Initialen eine Reihe seitengrosser Minia-
turen; im Eingänge alttestamentarische Scenen von der Erschaffung bis zur
Gesetzgebung. Dann folgen die Jugenderlebnisse des Heilandes, seine
Reden und Wunder, eine weitere Suite von Bildern enthält die Gegenüber-
stellung der Tugenden und Laster; den Beschluss bilden 17 Darstellungen
aus der Passion bis zur Ausgiessung des hl. Geistes. Ziemlich geistlos sind
diese Scenen mit naiver Breite behandelt. Selbst in der Schilderung dra-
matisch erregter Vorgänge weiss sich der Künstler selten einer spiessbürger-
I) Spätgothische Miniaturen verwandten Stiles finden sich in den Codices
No. CXXII. und CLXVII. der Stiftsbibliothek Rheinau, jetzt in der Kantons-
bibliothek Zürich, und in dem aus der Karthause S. Margarethenthal stammenden
Codex No. C. V. t6 der öffentlichen Bibliothek zu Basel.
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