Zur Lebensgeschiehte Albrecht Dürer’s.
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anrichten, dass wir in Deutschland einander zu Tod schlagen, und ein
solch’ Blutvergiessen machen, dass wir in unserm Blut waten sollen“.12)
Der Ritter liess es sich denn auch nicht nehmen, Luthern bei seiner An-
kunft im Weichbilde der Reichsstadt entgegenzureiten,13) ihn ehrenvoll ein-
zuholen, wie das Fürsten und Herren gegenüber der Brauch war.
Welche scharf antirömische Stellung der geistige Nährvater Dürer’s,
Willibald Pirkheimer, jedenfalls bis zu seiner sorgfältig geheim ge-
haltenen Lösung vom Banne einnahm, ist ja bekannt; auch dann ist
er nur eben äusserlich auf den Boden der alten Kirche zurückgetreten,
während sein Leidensgenosse Spengler unverwandt dem Siege der evan-
gelischen Sache in seiner Vaterstadt vorarbeitete. In seiner schlichten,
gemüthvollen, kindlich demüthigen Aneignung der geläuterten biblischen
Wahrheit erscheint Dürer ganz als der Gesinnungsgenosse dieses warm-
herzigen Vertheidigers Luther’s, der sich den Zorn Eck’s durch seine „Schutz-
red eines ehrbaren Liebhabers göttlicher Wahrheit der hl. Geschrift“
(1519) zugezogen hatte, eben das „Ketzerbüchlein“, das Dürer seinem
geistlichen Freunde am Kurfürstenhofe, Spalatin, zu verschaffen
versprach. Alle diese Freunde einer Kirchenreform nach Lehre und
Verfassung meinten ja damals noch keineswegs eine neue Kirche zu
gründen, hielten sich vielmehr für die Diener der einen, evangelischen
Wahrheit, die im Rahmen der einen denkbaren Kirche wieder zur Gel-
tung kommen müsse, von der sie sich keineswegs getrennt zu haben
glaubten durch ihre Billigung der Lehre Luther’s als der schriftgemässen
Formulirung der christlichen Religion. In diesem Sinne konnte Dürer sich
(1524 Dec. 5) bei seinem Freunde, dem in England weilenden Astronomen
Kratzer,14) bitter beklagen, dass man' ihn und seine Gesinnungsgenossen
„Ketzer“ schelte. Aehnlich lehnte ein theologisch geschulter Zeitgenosse,
der siebzigjährige Pfarrer von Steinheini am Main und Dechant von
St. Leonhard in Frankfurt, Johann von Hagen (ab Indagine), der auch als
Astrolog bekannt ist, den Namen eines „Lutheraners“ ab, ohne deswegen
den Missbräuchen der alten Kirche gegenüber eine andere Stellung ein-
zunehmen als Luther selbst und auch Dürer. Die Stelle ist für das da-
malige Verhältniss reformatorisch gerichteter Kreise zu der beginnenden,
la) M. M. Mayer, Spengleriana, Nürnberg 1830, S. 33.
13) RA. S. 850.
14) Vergl. die Ausg. v. Tliausing und Fuhse-Lange und Thausing’s Bio-
graphie. Dürer hatte schon 1520 in Antwerpen und Brüssel im Kreise des Eras-
mus mit Kratzer verkehrt und dürfte auch auf dem Abstecher nach Aachen und
Köln diese Beziehungen fortgesetzt haben, denn am 12. Oct. bat der englische
Gesandte Cuthbert Tunstal von Lüttich aus seinen König, er möge gestatten, dass
der Deutsche Nikolaus Kratzer, „deviser“ der Königlichen Uhren, den er in Ant-
werpen getroffen habe, mit verlängertem Urlaub bis zur Krönung ihn begleite.
Da er aus Oberdeutschland stamme und viele Fürsten kenne, so würde er ihm
die Absichten der Kurfürsten in den Reichsangelegenheiten erforschen helfen und
ihm so gute Dienste leisten. Brewer, Letters and Papers III (London 1867), p. 375.
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anrichten, dass wir in Deutschland einander zu Tod schlagen, und ein
solch’ Blutvergiessen machen, dass wir in unserm Blut waten sollen“.12)
Der Ritter liess es sich denn auch nicht nehmen, Luthern bei seiner An-
kunft im Weichbilde der Reichsstadt entgegenzureiten,13) ihn ehrenvoll ein-
zuholen, wie das Fürsten und Herren gegenüber der Brauch war.
Welche scharf antirömische Stellung der geistige Nährvater Dürer’s,
Willibald Pirkheimer, jedenfalls bis zu seiner sorgfältig geheim ge-
haltenen Lösung vom Banne einnahm, ist ja bekannt; auch dann ist
er nur eben äusserlich auf den Boden der alten Kirche zurückgetreten,
während sein Leidensgenosse Spengler unverwandt dem Siege der evan-
gelischen Sache in seiner Vaterstadt vorarbeitete. In seiner schlichten,
gemüthvollen, kindlich demüthigen Aneignung der geläuterten biblischen
Wahrheit erscheint Dürer ganz als der Gesinnungsgenosse dieses warm-
herzigen Vertheidigers Luther’s, der sich den Zorn Eck’s durch seine „Schutz-
red eines ehrbaren Liebhabers göttlicher Wahrheit der hl. Geschrift“
(1519) zugezogen hatte, eben das „Ketzerbüchlein“, das Dürer seinem
geistlichen Freunde am Kurfürstenhofe, Spalatin, zu verschaffen
versprach. Alle diese Freunde einer Kirchenreform nach Lehre und
Verfassung meinten ja damals noch keineswegs eine neue Kirche zu
gründen, hielten sich vielmehr für die Diener der einen, evangelischen
Wahrheit, die im Rahmen der einen denkbaren Kirche wieder zur Gel-
tung kommen müsse, von der sie sich keineswegs getrennt zu haben
glaubten durch ihre Billigung der Lehre Luther’s als der schriftgemässen
Formulirung der christlichen Religion. In diesem Sinne konnte Dürer sich
(1524 Dec. 5) bei seinem Freunde, dem in England weilenden Astronomen
Kratzer,14) bitter beklagen, dass man' ihn und seine Gesinnungsgenossen
„Ketzer“ schelte. Aehnlich lehnte ein theologisch geschulter Zeitgenosse,
der siebzigjährige Pfarrer von Steinheini am Main und Dechant von
St. Leonhard in Frankfurt, Johann von Hagen (ab Indagine), der auch als
Astrolog bekannt ist, den Namen eines „Lutheraners“ ab, ohne deswegen
den Missbräuchen der alten Kirche gegenüber eine andere Stellung ein-
zunehmen als Luther selbst und auch Dürer. Die Stelle ist für das da-
malige Verhältniss reformatorisch gerichteter Kreise zu der beginnenden,
la) M. M. Mayer, Spengleriana, Nürnberg 1830, S. 33.
13) RA. S. 850.
14) Vergl. die Ausg. v. Tliausing und Fuhse-Lange und Thausing’s Bio-
graphie. Dürer hatte schon 1520 in Antwerpen und Brüssel im Kreise des Eras-
mus mit Kratzer verkehrt und dürfte auch auf dem Abstecher nach Aachen und
Köln diese Beziehungen fortgesetzt haben, denn am 12. Oct. bat der englische
Gesandte Cuthbert Tunstal von Lüttich aus seinen König, er möge gestatten, dass
der Deutsche Nikolaus Kratzer, „deviser“ der Königlichen Uhren, den er in Ant-
werpen getroffen habe, mit verlängertem Urlaub bis zur Krönung ihn begleite.
Da er aus Oberdeutschland stamme und viele Fürsten kenne, so würde er ihm
die Absichten der Kurfürsten in den Reichsangelegenheiten erforschen helfen und
ihm so gute Dienste leisten. Brewer, Letters and Papers III (London 1867), p. 375.