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Schenkel, Wolfgang
Die altaegyptische Suffixkonjugation: Theorie der inneraegyptischen Entstehung aus Nomina actionis — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.14994#0087

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Bewertung als historischer Theorie

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5.6 Bewertung der Nomen-actionis-Theorie als historischer Theorie

Als einzige derzeit durchgeführte historische Theorie der Suffixkonjugation ent-
zieht sich die Theorie einer vergleichenden Bewertung nach dem Einfachheitskrite-
rium; sie ist zunächst mangels Alternativen die einfachste. Es könnten jedoch
grundsätzlich historische Theorien gefunden werden, die bei Berücksichtigung aller
von der Nomen-actionis-Theorie abgedeckten historisch nachprüfbaren Befunde
einfacher sind als die Nomen-actionis-Theorie. Das ist die erste Möglichkeit, die
Nomen-actionis-Theorie als historische Theorie zu disqualifizieren.

Eine zweite Möglichkeit ergibt sich aus dem Kriterium der Historizität: Es
könnte sein, daß sich im Fortgang der Forschung zwischen der Nomen-actionis-
Theorie und den historischen Fakten Diskrepanzen herausstellen, daß also die
Nomen-actionis-Theorie hypothetische Zwischenglieder enthält, die bei besserer
Kenntnis der historischen Realität sich als der historischen Realität widersprechend
erweisen. Die gegenwärtigen historischen Kenntnisse lassen bereits jetzt Punkte
erkennen, an denen eine einschneidende Änderung der Materialbasis in greifbarer
Nähe liegt: Der Ansatz eines einheitlichen Ursprungs sowohl der Basis der Suf-
fixkonjugation (Nomen actionis) als auch — weniger nachdrücklich vertreten —
der Bildungselemente (Nomina), der den nicht allzu reichlichen historischen Daten
nicht widerspricht, ist entscheidend durch das Kriterium der Einfachheit gefordert.
Es gibt aber durchaus für jeweils einen Teil der Fälle Möglichkeiten einer anderen
Erklärung, z. B. ist für einen Teil der „Tempora" der Suffixkonjugation die Ent-
stehung aus Partizipien, was die historischen Fakten angeht, nicht auszuschließen.
D. h. historisch ist der einheitliche Ursprung nicht erwiesen. Nur: da das Einfach-
heitskriterium gilt, ist der Nachweis, daß der Ansatz eines einheitlichen Ursprungs
zu Widersprüchen mit den historischen Fakten führt, ausdrücklich zu führen. So-
lange dies nicht möglich ist, sind Alternativlösungen, die in diesem Fall nur zur
Komplizierung der Theorie beitragen, für die Theoriebildung uninteressant. Das
heißt aber nicht, daß sie überhaupt wertlos wären. Im Gegenteil: man darf sie
nicht aus dem Auge verlieren, da sie schon durch geringfügige Veränderungen an
der historischen Materialbasis für die Theoriebildung hochaktuell werden können.
Im Falle des einheitlichen Ursprungs würde es sich sicherlich lohnen, nach den noch
unbekannten historischen Fakten, die den einheitlichen Ursprung widerlegen könn-
ten, geradezu zu suchen.

Es lohnt sich nicht, hier im einzelnen auf die anderen benutzten Kriterien, die
Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit einzugehen; selbstverständlich kann die
Nomen-actionis-Theorie Widersprüche und Lücken enthalten. Vermutlich halten
sich derartige Mängel in solchen Grenzen, daß sie ohne ernstliche Beeinträchtigung
der Theorie behoben werden können. Aber auf eine letzte Möglichkeit zur Disqua-
lifizierung der Nomen-actionis-Theorie sei ausdrücklich hingewiesen: Die Nomen-
actionis-Theorie steht und fällt mit der Gültigkeit des Konzepts der historischen
Theorie mit den vier Bewertungskriterien der Widerspruchsfreiheit, Vollständig-
keit, Historizität und Einfachheit.
 
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