Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vorwort.

Was ich hier vorlege, ist eigentlich der zweite Teil meines Buches »Altai-Iran und Völkerwande-
rung, Ziergeschichtliche Untersuchungen über den Eintritt der Wander-und Nordvölker in die
Treibhäuser geistigen Lebens«. Hatte es sich darin um vorgeschichtliche Denkmäler der Zier-
kunst gehandelt, denen selten ein Schriftzeichen zur zeitlichen Feststellung, ein Geschichtschreiber zur
Aufhellung des örtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhanges verhilft, so habe ich es hier mit
den schwerwiegendsten Zeugen geschichtlichen Lebens zu tun, Bauwerken, die Inschriften als feste
Marken an der Stirn tragen und in den Blättern der Geschichte mehrfach eingetragen sind. Zudem handelt
es sich um die Belege einer religiösen Großkunst, die uns umso näher berühren, als sie ihre Entstehung
dem frühesten Versuch eines arischen Volkes verdanken, auf dem Boden des Christentums einen natio-
nalen Staat aufzurichten. Trotzdem rechnet die Kunstgeschichte mit den altchristlichen Kirchenbauten Ar-
meniens womöglich noch weniger als mit dem Denkmälerkreise, den ich in »Altai-Iran« behandelte.
Solange kein Kunstforscher die Gesamtheit der altarmenischen Denkmäler bearbeitet hat, geht
es nicht vorwärts, weder in der Kunstgeschichte noch in der Mitarbeit der Historiker und Philologen,
für die Kunstdenkmäler als solche zumeist Bücher mit sieben Siegeln sind. Einer muß seine Haut zu
Markte tragen und die Forschung, so gut er es eben kann, in Gang bringen. Vor allem werden die
Kunstforscher mit der Vorstellung brechen müssen, die Armenier für Barbaren zu nehmen, die erst
von Rom oder Byzanz her Kultur zugetragen erhielten. Der Süden und Westen wirken auf das Hochland,
soweit es sich um kirchlichen Geist handelt; in der Baukunst aber verfügten die Armenier über
eine alte, aus Mittelasien stammende Überlieferung und schufen ein Gemeindehaus, bevor noch die
christliche Mittelmeerkunst zu wirken begann. Die alte asiatisch-arische Kultur blieb in Armenien
Sieger und daraus erklärt sich, daß der Kuppelbau, nicht die Basilika, dort herrschend werden konnte
und dann von Armenien aus Europa eroberte. Auch der Islam wurde Träger dieser alten, der
Religion nach ursprünglich mazdaistischen Kultur, die also in der Entwicklung ihrer Kunstformen nicht
mit Christus und Muhammed auf hörte, sondern mit ihnen im Osten, wie später im Westen erst recht zur
Blüte gelangte und Großes geleistet hat (»Altai-Iran-«' S. 395). Diese Bedeutung Irans für die Kunst
der beiden jüngsten Stifterreligionen stelle ich obenan.
Im übrigen bin ich in der angenehmen Lage, das vorliegende Werk unter mehrfachen Gesichts-
punkten als zeitgemäß einführen zu können. Die Brücke, die durch die nachfolgend vorgeführten
Denkmäler aus dem Araratgebiete von Iran nach Europa geschlagen wird, erbringt den Nachweis,
wie sehr das Schwarze Meer bisher als Kulturträger gegenüber dem Mittelmeere von der Forschung
übersehen wurde. Das mag im Augenblicke vielleicht die wichtigste Tatsache sein, die festzustellen
war. Hoffentlich öffnet der Krieg in seinen Folgen aufs Neue diesen alten Arierweg, wie er
ursprünglich insbesondere für die Entwicklung der Germanen in Betracht kam. Es wäre Sache
des Nordens, ihn kulturell zurückzufinden zu Armeniern, Persern und Indern. Daneben entscheide
man, was höher zu werten ist, die Bedeutung des armenischen Kirchenbaues für den Eisenbetonbau
der Gegenwart oder seine geschichtliche Rolle in der Entstehung und Entwicklung des Kuppelbaues.
Was zunächst den Eisenbetonbau unserer Zeit betrifft, so hat er ähnliche Aufgaben zu
bewältigen, nur natürlich in anderer Art als die altchristlichen Kirchenbauten, die ebenfalls mit
Hilfe von Gußmauerwerk zweckentsprechende Formen ohne Anwendung von Holz, Quader und
Ziegel herzustellen suchten. Es ist bezeichnend, daß heute ähnliche Lösungen wie seinerzeit in Armenien
zustande kommen. Die Verbindung von Beton mit Eisen fehlt natürlich in Armenien, die Räume sind
denn auch dort bedeutend kleiner. Aber grundsätzlich kann die Verwandtschaft des armenischen
Gußmauerwerkes mit der bevorzugten Bauart der Gegenwart nicht genug betont werden. Ich habe
daher einen darauf bezüglichen Abschnitt an die Spitze gestellt.
 
Annotationen