BEDEUTUNG, ERSTER TEIL: GEGENSTAND
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von Thomas (S. 271 f.) ergänzt die Trümmer zu lebendiger Wirkung1). Ein Riesensaal nahm endlich
die Westecke des Palastes ein. Nach der Verteilung der Innenverstrebung auf zwei Gurtbogen
möchte man annehmen, daß er übdr der quadratischen Mitte eine Kuppel trug, im ganzen also eine
Art Kuppelhalle bildete. Man beachte, daß zwei ähnliche Säle auch in Zwarthnotz die Westseite
einnehmen, der eine auch basilikal, der andere mit drei mächtigen Gurtbogen2).
Diese kurzen Auseinandersetzungen mit den mir zugänglichen Denkmälern gestatten den Schluß,
daß die Paläste, ob sie nun königlich waren oder dem Katholikos gehörten, eine gemeinsame
Bauform zeigten, die bestimmt wurde durch das Vorhandensein 1. von Wohnräumen um ein Bad in der
Nähe eines kreuzförmigen Saales und 2. zweier Festsäle von wechselnder Bauart. Die reiche Aus-
stattung ist durch Funde und Beschreibungen gesichert.
Über das Schloß der Rubeniden im kleinarmenischen Sis vgl. Alischan, »Sissouan«, Seite 244 f.
In den Jahren 1276—1286 werden der Palast und die Gärten von Mren erbaut ohne Meister, nach dem
eigenen Entwürfe des Fürsten, wie die Inschrift meldet, von der S. 219 (vgl. S. 279) die Rede war.
Über die Zerstörung von Palästen berichtet Aristakes Lastiwertatzi c. II vom Kaiser Basileios
(867—886), er habe dem Hause (Lande) Taik3) große Trauer gebracht, indem er zwölf Gaue ver-
derben ließ .... die hochstöckigen Paläste königlicher Anlagen, welche mit großen Kosten und
Erfindung der Künstler zur Bewunderung der Beschauer und zum freudigen Genüsse der Bewohner
gebaut waren. Die Mehrstöckigkeit solcher Bauten bezeugt auch ein armenisches Märchen, das
Dr. Matikian von einem Armenier aus Diarbekr hörte. Ein König verbietet den drei Söhnen, die
Ostgrenze zu überschreiten. Trotzdem geschah das und man fand dort inmitten eines herrlichen
Gartens einen prächtigen zweistöckigen Palast auf einer hohen Terrasse mit vortretendem Eingang,
zu dem von beiden Seiten Treppen so emporführten, daß die Vorderseite als Wand mit künstlichem
Blumenschmuck freiblieb. Rechts vom Palast ein Wasserfall u. s. w.
5. Städte.
Die armenischen Städte gehen zum Teil in urartisch-parthische und römisch-sasanidische Zeit
zurück, doch sind Neugründungen in christlicher Zeit häufig. Zu unterscheiden sind Königsstädte
und solche der Nacharars neben den Katholikos-Städten. Ich führe sie nach diesen beiden Gruppen
gesondert vor, wobei ich wieder um ihrer Bedeutung für den Kirchenbau willen die geistlichen Sied-
lungen voran stelle. Beachtenswert ist der Hymnus bei Moses von Chorene II, 42 (Lauer, S. 102)
auf Erwandakert. Thomas Artsruni VII, 7 (ed. Brosset 46) erzählt, Artaches habe eine neugegründete
Stadt wegen ihrer schönen Gebäude »Sard«, d. h. »Zierde«, nach Brosset »Ornamentation« genannt.
Also hatten die Armenier schon um 122 n. Chr. — in welche Zeit Brosset Artaches setzt —Sinn
für die Schönheit der Stadt.
A. Katholikos-Städte.
Der Wechsel des geistlichen Sitzes erklärt sich zumeist aus politischen Gründen. Im all-
gemeinen hat der Patriarch seinen Sitz in der Hauptstadt der weltlichen Macht. Zunächst war
Aschtischat, dann Wagharschapat, nach der Mitte des 5. Jahrhunderts Dwin Sitz des Katholikos.
Wächst dort der persische, später arabische Einfluß, so zieht sich der Patriarch in ein Kloster
zurück oder baut sich eine eigene Residenz, gesondert vom Hof, bzw. Statthalter: sei es den
persischen Marzpanen, dem byzantinischen Kuropalaten oder den arabischen Ostikanen. Besteht
aber ein national armenischer Machthaber, dann über&iedelt der Katholikos gewöhnlich an seinen
Hof, so z. B. als die Bagratiden in Ani residierten.
Aschtischat. Die geistliche Hauptstadt Armeniens im 4. Jahrhundert. Es wird im dritten Buche
ausführlich von ihren Denkmälern zu reden sein. Die Lage ist umstritten4). Jedenfalls war das
Heiligtum dieser Stadt die ursprüngliche Mutterkirche und geistliche Metropolis Armeniens^
*) Für den Blick auf Stadt und Land vgl. Brosset, «Ruines d’Ani«, Tafel XV.
2) Wie die Burgbefestigung nach Süden endet, zeigt oben S. 21 Abb. 21. Die Kirchen, die dort stehen, wurden S. 103 und
128 besprochen.
3) Vgl. dazu auch Faustus V, c. 6 und 25.
4) Vgl. Hübschmann, S. 400 f. Darüber im dritten Buche (Geschichte).
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von Thomas (S. 271 f.) ergänzt die Trümmer zu lebendiger Wirkung1). Ein Riesensaal nahm endlich
die Westecke des Palastes ein. Nach der Verteilung der Innenverstrebung auf zwei Gurtbogen
möchte man annehmen, daß er übdr der quadratischen Mitte eine Kuppel trug, im ganzen also eine
Art Kuppelhalle bildete. Man beachte, daß zwei ähnliche Säle auch in Zwarthnotz die Westseite
einnehmen, der eine auch basilikal, der andere mit drei mächtigen Gurtbogen2).
Diese kurzen Auseinandersetzungen mit den mir zugänglichen Denkmälern gestatten den Schluß,
daß die Paläste, ob sie nun königlich waren oder dem Katholikos gehörten, eine gemeinsame
Bauform zeigten, die bestimmt wurde durch das Vorhandensein 1. von Wohnräumen um ein Bad in der
Nähe eines kreuzförmigen Saales und 2. zweier Festsäle von wechselnder Bauart. Die reiche Aus-
stattung ist durch Funde und Beschreibungen gesichert.
Über das Schloß der Rubeniden im kleinarmenischen Sis vgl. Alischan, »Sissouan«, Seite 244 f.
In den Jahren 1276—1286 werden der Palast und die Gärten von Mren erbaut ohne Meister, nach dem
eigenen Entwürfe des Fürsten, wie die Inschrift meldet, von der S. 219 (vgl. S. 279) die Rede war.
Über die Zerstörung von Palästen berichtet Aristakes Lastiwertatzi c. II vom Kaiser Basileios
(867—886), er habe dem Hause (Lande) Taik3) große Trauer gebracht, indem er zwölf Gaue ver-
derben ließ .... die hochstöckigen Paläste königlicher Anlagen, welche mit großen Kosten und
Erfindung der Künstler zur Bewunderung der Beschauer und zum freudigen Genüsse der Bewohner
gebaut waren. Die Mehrstöckigkeit solcher Bauten bezeugt auch ein armenisches Märchen, das
Dr. Matikian von einem Armenier aus Diarbekr hörte. Ein König verbietet den drei Söhnen, die
Ostgrenze zu überschreiten. Trotzdem geschah das und man fand dort inmitten eines herrlichen
Gartens einen prächtigen zweistöckigen Palast auf einer hohen Terrasse mit vortretendem Eingang,
zu dem von beiden Seiten Treppen so emporführten, daß die Vorderseite als Wand mit künstlichem
Blumenschmuck freiblieb. Rechts vom Palast ein Wasserfall u. s. w.
5. Städte.
Die armenischen Städte gehen zum Teil in urartisch-parthische und römisch-sasanidische Zeit
zurück, doch sind Neugründungen in christlicher Zeit häufig. Zu unterscheiden sind Königsstädte
und solche der Nacharars neben den Katholikos-Städten. Ich führe sie nach diesen beiden Gruppen
gesondert vor, wobei ich wieder um ihrer Bedeutung für den Kirchenbau willen die geistlichen Sied-
lungen voran stelle. Beachtenswert ist der Hymnus bei Moses von Chorene II, 42 (Lauer, S. 102)
auf Erwandakert. Thomas Artsruni VII, 7 (ed. Brosset 46) erzählt, Artaches habe eine neugegründete
Stadt wegen ihrer schönen Gebäude »Sard«, d. h. »Zierde«, nach Brosset »Ornamentation« genannt.
Also hatten die Armenier schon um 122 n. Chr. — in welche Zeit Brosset Artaches setzt —Sinn
für die Schönheit der Stadt.
A. Katholikos-Städte.
Der Wechsel des geistlichen Sitzes erklärt sich zumeist aus politischen Gründen. Im all-
gemeinen hat der Patriarch seinen Sitz in der Hauptstadt der weltlichen Macht. Zunächst war
Aschtischat, dann Wagharschapat, nach der Mitte des 5. Jahrhunderts Dwin Sitz des Katholikos.
Wächst dort der persische, später arabische Einfluß, so zieht sich der Patriarch in ein Kloster
zurück oder baut sich eine eigene Residenz, gesondert vom Hof, bzw. Statthalter: sei es den
persischen Marzpanen, dem byzantinischen Kuropalaten oder den arabischen Ostikanen. Besteht
aber ein national armenischer Machthaber, dann über&iedelt der Katholikos gewöhnlich an seinen
Hof, so z. B. als die Bagratiden in Ani residierten.
Aschtischat. Die geistliche Hauptstadt Armeniens im 4. Jahrhundert. Es wird im dritten Buche
ausführlich von ihren Denkmälern zu reden sein. Die Lage ist umstritten4). Jedenfalls war das
Heiligtum dieser Stadt die ursprüngliche Mutterkirche und geistliche Metropolis Armeniens^
*) Für den Blick auf Stadt und Land vgl. Brosset, «Ruines d’Ani«, Tafel XV.
2) Wie die Burgbefestigung nach Süden endet, zeigt oben S. 21 Abb. 21. Die Kirchen, die dort stehen, wurden S. 103 und
128 besprochen.
3) Vgl. dazu auch Faustus V, c. 6 und 25.
4) Vgl. Hübschmann, S. 400 f. Darüber im dritten Buche (Geschichte).
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