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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0091
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ERSTES BUCH: DIE DENKMÄLER

Arschin (g'25 X 6*40 m) ummantelt, öfter hergestellt und trotzdem verfallen. Giebeldächer schützen
die Gewölbe, ein pyramidales Dach die Kuppel. An der Fenstertrommel Blendbogen auf Doppel-
säulen. Die Zeitstellung ist unsicher, etwa 11. Jahrhundert. Neben der Kirche Felsenhöhlen von
verwandtem Grundriß, aber mit Tonnendecke aus dem 15. Jahrhundert.
Das einfache Kuppelquadrat ist in der türkischen Kunst allgemein verbreitet, ja geradezu der
vorherrschende Typus der türkischen Moschee geworden. Es kommt auch auf armenischem Boden
in islamischen Denkmälern vor, man schlage zum Beispiel Bachmann, »Kirchen und Moscheen in
Armenien«, Seite 67, nach.
Die rein strahlenförmigen Kuppelbauten zeigen ein Merkmal, das in dieser ausgeprägten Form
als eigenartig armenisch gelten kann: die Umfassungsmauer ist nur selten wie im Abendland ein
geschlossenes Rund, Quadrat-, Sechs- oder Achteck; vielmehr löst die Ummantelung sich zumeist
in eine Folge von Ausbuchtungen auf, die strahlen- oder sternförmig zur Mitte stehen. Ich gehe
nachfolgend aus von der einfachen quadratischen Kuppel mit solchen Ausbuchtungen. Dann folgen
die reicheren Bildungen. Erst wenn wir so sämtliche Formen von strahlenförmigen Bauten mit
außen hervortretendem Quadrat kennen gelernt haben, kommen die Typen daran, die das Quadrat
außen zurückdrängen und dann bald Vier-, bald Sechs-, bald Achtpaßform aufweisen. Ich werde diese
Bauten, in denen das Kuppelquadrat zurücktritt, als zweite Untergruppe zusammenfassen (vgl. S. 70 f.).

1. Kuppelquadrate mit Strebenischen.
Das eben besprochene einfache Kuppelquadrat, das in Armenien so selten ist, erscheint umso
häufiger durch vier aus der Mitte der Quadratseite halbrund vortretende Ausbuchtungen erweitert,
die ich als Strebenischen oder Konchen bezeichne. Dieser Typus ist für Armenien, wie ich be-
gründen zu können hoffe, von ausschlaggebender Bedeutung geworden. Ich stelle ihn aber freilich
zunächst nur deshalb an die Spitze, weil sich auf diese Art die klarste Anordnung des Stoffes ergibt.
A. Kuppel qua drate mit Strebenischen in den Achsen (Abb. 43).
Bei den eigentlichen Kuppelquadraten ordnet sich die Konche immer der Quadratseite unter.
Sie nimmt mehr als ein Drittel der Mitte jeder Seite ein, was sowohl in der Innen- wie Außen-
ansicht vollkommen deutlich sichtbar ist. Auf diese Art herrscht durchaus in der Raum- wie Massen-
wirkung dieser Bauten der Mauerwürfel, dessen Ecken immer zwischen den Konchen hervortreten.
Uber dem Würfel sitzt nicht unmittelbar die Halbkugel, sondern es vermittelt dazu ausnahmslos
eine Fenstertrommel. Sie ist ganz regelmäßig in das Quadrat eingeschrieben, zumeist als Achteck,
so daß also je eine Seite sich immer einmal der Konche, einmal der Würfelecke zuwendet. Wenn
man daher im Hauptgeschoß außen den Eindruck eines vom Vierpaß durchsetzten Würfels be-
kommt, so erhebt sich darüber ein achteckiges Prisma. Über der Kuppel liegt als Dach eine
Pyramide. Soweit das Außere. Im Innern ist die Fenstertrommel gern rund, mit dem Halbrund als
Decke. In diesen »Konchenquadraten« besteht die Neigung, durch innen vorgelegte acht Pfeiler
baulich wenigstens, wenn auch nicht räumlich, zum Achteck überzugehen, wie das Kuppelquadrat
von Artik deutlich machen wird.
Mastara, Johanneskirche. Sie ist inschriftlich (vgl. oben S. 44) als Kathedrale, Ruhmestempel
Gottes, als Gebetshaus für die Gerechten, Reinigungsort der Sünder und Denkmal für sich und die
Seinigen von Gregoras in der Zeit des Bischofs Theodoros Gnuniantz erbaut. Dieser Bischot
nimmt an der Synode von 648 teil, wodurch also die Kirche in die Mitte des 7. Jahrhunderts
gerückt erscheint. Die eigentliche Bauinschrift dürfte verloren sein, doch wiederholen verschiedene
Steininschriften so gleichlautend den Namen des Erbauers Gregoras, daß an der Bauzeit selbst
kaum ein Zweifel bestehen kann Trotzdem möchte ich das Hauptgewicht auf den Typus, nicht so
sehr gerade auf das in Mastara erhaltene Denkmal legen.
Der Bau steht in guter Erhaltung aufrecht und dient noch heute dem Gottesdienste des Ortes.
 
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