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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Editor]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0420
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doch, wie wir gesehen haben, für die reine Basilika bei ihrer Übertragung aut armenischen Boden
durch die Einführung der Wölbung die Schwierigkeit der Überwindung des Seitenschubs. Dieser
Schwierigkeit mußte zunächst der Lichtgaden zum Opfer gebracht werden, . der die Verstrebung
der Mittelschiffstonne durch die Seitenschiffstonnen unmöglich machte. Wir sehen demnach den in
Ereruk im Anschluß an die syrische Holzdachbasilika eingeführten Lichtgaden verschwinden und
schon in dem kaum viel späteren Tekor den Wölbungsansatz des Mittelschiffes in gleicher Höhe
mit dem der Seitenschiffe. Die struktive Verwertung des Umganges aber als Verstrebung der
Seitenschiffstonnen lag wohl aus dem Grunde nahe, weil die seitliche Vorhalle schon im einschiffigen
Bau diese Aufgabe auf Grund der mesopotamischen Tradition (siehe S. 377) hatte. Für dieses In-
einanderwirken des syrischen Säulenumgangs mit der aus der mesopotamischen Tradition über-
nommenen seitlichen Vorhalle bietet das benachbarte Georgien deutliche Belege (siehe unten).
Ist so die Aufnahme des Umgangs in Armenien durch seine Umwandlung aus einem mehr
dekorativen zu einem struktiv verwerteten Gliede erklärlich, so ist doch nicht anzunehmen — und die
Tatsachen sprechen dafür — daß er allgemeine und typische Geltung gewonnen habe. Denn der Zug
nach Vereinheitlichung des Raumes hatte schon früh andere Mittel für die Verstrebung ausfindig
gemacht (siehe S. 392), und zudem wurde ja durch die Umwandlung des reinen Dreischiffs zur
Kreuzkuppel, deren erstes erhaltenes Beispiel wohl Tekor ist, der Hauptschub von den Querarmen
des Kreuzes übernommen. Dementsprechend hat der Umgang in Usunlar (8. Jahrhundert) seine
Verwertung als Verstrebung schon zum größten Teil eingebüßt (Abb. 425). Wohl haben die Arkaden
die gedrungene Festigkeit beibehalten, doch war bei der geringen Spannweite der Seitenschiffs-
wölbung, bei der Entlastung durch das Kuppelquerschiff und bei der Massivität des ganzen Baues
der Seitenschub weitaus geringer. Die Umgangswölbung erreicht deshalb kaum mehr die Hälfte
der Seitenschiffshöhe und der Bau hat, trotzdem nur ein kleiner Teil der Umgangswölbung erhalten
ist, seine Festigkeit bis heute bewahrt.
Schließlich ist unter den in Ereruk vereinzelt auftretenden Elementen noch die ansteigende
Tonne zu erwähnen. Außer in Ereruk, wo Tonnen des Obergeschosses der beiden Seitenkammern
gegen die Apsis ansteigen (Abb. 427), ist uns in Armenien kein Fall ihrer Verwendung bekannt
geworden. Dagegen wurden sie in Kleinasien mehrfach als Verstrebung der Mittelwölbung benützt.
Auf die Bedeutung des Bauelements speziell im Zusammenhänge mit seinem Auftreten in der früh-
abendländischen Baukunst hat bereits Strzygowski (»Kleinasien«, S. 61) hingewiesen. Hier kann sein
Vorkommen nur ein neuer Beleg für die weitgreifende Gültigkeit der Wölbungsformen der vorder-
asiatischen Hochlandszone sein.

2. Ausstattung.
Nachdem im vorhergehenden Abschnitte gezeigt worden ist, daß in Armenien im Bauen an
sich ganz rein zwei Ströme zu scheiden sind, der eine mit der Kuppel aus dem arsakidischen
Osten kommend, der andere mit dem längsgerichteten Tonnenbau aus den hellenisierten Gebieten
Syriens, Kleinasiens und Nordmesopotamiens, kann ich mich hier im zweiten Teile, der die Gestalt
im Gebiete des Bauschmuckes verfolgt, etwas freier bewegen, ohne fürchten zu müssen, daß die
Vorliebe, alles und jedes von der Antike herleiten zu wollen, zu Mißverständnissen führen könnte.
Ausgehend von den antiken, auch in Armenien nachweisbaren Spuren und einzelnen Mischformen
soll ihnen jene Art entgegengestellt werden, die als die im Besonderen armenische gelten kann,
wobei die oben Seite 70 f. gegebene Zusammenstellung zum Ausgangspunkt genommen wird. Es
wird also hier die Reihenfolge umgekehrt, indem zuerst die eingedrungenen hellenistischen Formen
behandelt werden und so der fernere Weg von weiterer Rücksichtnahme auf diesen vorübergehenden
bzw. in keine Verbindung mit dem Iranischen und Einheimischen eingetretenen Einschlag freigehalten
wird. Es setzt also zunächst Dr. Glück fort.

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