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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0238
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BEDEUTUNG, ERSTER TEIL: GEGENSTAND

221

II. Bedeutung, Erster Teil: Gegenstand.
Der Gegenstandsforscher fragt zunächst nach der allgemeinen Richtung des geistigen Zustandes,
dem die Denkmäler angehören, dann nach dem besonderen Zwecke, dem sie zu dienen hatten, endlich
nach dem Besteller. Da muß nun zunächst hervorgehoben werden, das die armenische Kultur
in der Zeit, mit der wir uns hier beschäftigen, einen ausgesprochen nationalen und kirchlichen
Charakter zugleich hatte. Es ist nicht Zufall oder Auswahl» daß wir gerade Kirchen zum Leitmotiv
der Untersuchung machen; Tatsache ist vielmehr, daß die nationale Kultur der Armenier, soweit
in Denkmälern der bildenden Kunst erhalten, ausgesprochen zuerst religiös mit allgemein völkischem
Einschlag ist, dann kirchlich wird. Zwar hat es eine vorchristliche Zeit geg’eben — und der Forscher
begegnet auf Schritt und Tritt ihren Resten mit Keilinschriften — in der mächtige Burgen für
Armenien bezeichnend waren und es ist möglich, daß davon manches in den Burgenbau über-
gegangen ist, der auch noch in christlicher Zeit neben dem Kirchenbau eine Rolle spielt. Aber
schließlich gab letzterer doch in der Entwicklung der christlichen Zeit entschieden den Ausschlag.
Wir werden trotzdem nachfolgend wenigstens an einigen Beispielen neben Kirchen, Klöstern
und Grabbauten auch Burgen und Palastanlagen vorzuführen haben, dann die wichtigsten Städte,
vor allem das armenische Pompeji, die Bagratidenstadt Ani, um bei Ursprungsfragen über den Kultbau
und die christliche Zeit weiter zurückgehen zu können. Um mehr als Andeutungen über den für
den Kirchenbau in Betracht kommenden Vergleichsstoff kann es sich dabei nicht handeln. Gerade
weil die Spuren für die allerfrüheste christliche Zeit in Armenien, das 4. bis 6. Jahrhundert, spärlich
sind, muß zum mindesten der Rahmen selbst über den Kirchenbau hinaus abgesteckt und der Blick
von vornherein immer auf das Ganze gerichtet bleiben. Dabei wird sich zeigen, daß vorläufig
freilich nur vom Kirchen-, bzw. Kultbau größere Reihen mit alten, zeitlich sichergestellten Vertretern
nachweisbar sind. Schon diese Tatsache rechtfertigt die Beschränkung, die dieses Buch sich auferlegt.
Im vorliegenden Abschnitte werde ich die zeitliche Grenze bisweilen etwas überschreiten müssen.

1. Kirchen.
Zweck. Der Zweck der Kirchen prägt sich in ihrem Namen aus. Sie heißen bei den Schrift-
stellern des 5. Jahrhunderts, bei Agathangelos, Faustus von Byzanz (bes. III, S. 3) und Lazar von
Pharpi immer wieder »Haus des Herrn« oder »Haus des Gebetes« und werden je nachdem, wem
zu Ehren sie gebaut sind, bald Margarearan maturn, d. i. Haus des Propheten oder Arakelaran, d. i-
Haus der Apostel oder Wkaiaran, d. i. Haus der Märtyrer genannt'). Man sagt auch Maturn (Kapelle),
Ekklesia, Oratorium, Heilstätte, Versammlungsraum. Im ältesten Lectionarium heißt es nach Kater-
dschian (siehe unten): »Man versammelt sich im Maturn, dann wird die Messe gelesen im heiligen
Maturn, vor dem heiligen Kreuze«. Für die Hauptkirche ist der spätere Ausdruck »Kathoghike«
üblich, gleichbedeutend etwa mit unserem »Kathedrale«.
Im wesentlichen ist also die armenische Kirche Gotteshaus und Versammlungsraum, Gebetshaus
und Martyrion zugleich und es frägt sich nur, wie man für diese Zweckforderungen auf den Kuppelbau
der oben vorgeführten Reihen und Arten kommen konnte. War das armenische Haus oder der Ver-
sammlungsraum in der Entstehungszeit der christlichen Kirche, oder war das, was Martyrion genannt
wird, ein Kuppelraum oder hat man diese Bauform von außen, vielleicht erst mit dem Christentum
übernommen? Und da eine solche Bauform im Kirchenbau des Mittelmeerkreises wenig bekannt war,
z. B. Maturn des heiligen Sergius in Tekor, der heiligen Thekla bei Faustus von Byzanz, IV, S. io, (Langlois, S. 245.)
 
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