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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Editor]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0321
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304

ZWEITES BUCH: WESEN

Erscheinung: Beschreibung der gemeinsamen Merkmale.
In dem oben, Seite 206, mitgeteilten Plane der Wesensforschung steht an dritter Stelle neben
Stoff und Werk und dem Bedeutungswert Gegenstand die Gestalt, an vierter die Form. Beide sind
Erscheinungswerte. Bevor auf sie eingegangen werden kann, muß das bisherige Nebeneinander der
Betrachtung umgesetzt werden in die Feststellung der gemeinsamen Züge, wobei noch jede ver-
gleichend über den Rahmen des Armenischen hinausgehende Untersuchung zu vermeiden ist. Ich
ergänze also zunächst lediglich die oben Seite 72 f. gebotene Vorführung der Denkmäler durch eine
zusammenfassende Heraushebung ihrer gemeinsamen Merkmale. Schnaase schon versuchte (III, S. 327 f.)
eine solche Zusammenstellung. Er hat, da er die armenische Baukunst nur aus zweiter Hand kannte,
die wichtigsten Dinge übersehen, bzw. falsch aufgefaßt. Das gleiche gilt von Rivoira, »Architettura
musulmaüa« Seite 189 f., Choisy, »Histoire de l’architecture« II, Seite 21 f. u. a.
Der Bauplan ist mit wenigen Ausnahmen so entworfen, daß eine vollkommen ebene Ausbreitung
des Bodens Voraussetzung ist. Zumeist ist denn auch der Bauplatz derart gewählt, daß von vornherein
keinerlei Schwierigkeiten zu überwinden waren. Wo Ausnahmen vorliegen, bietet der Stufenunter-
bau das Mittel, Unebenheiten auszugleichen. Bezeichnend dafür ist die Anlage von Tekor und Agrak
am Bergabhange. Dort treten die Stufen nur an der Abfallseite hervor. Bei Diraklar ist die West-
seite durch Unterbauten mit Stufen ermöglicht, bei der Burgkirche von Ani und Aschtarak die Ostseite.

A. Stufenunterbau.


ist vielmehr bezeichnend,
äußerlich um die Mauern
daß sie, in der Höhe des
tragend als Staffel unter-

Aufnahme Jermakov 4760.
Abb. 340. Edschmiatsin, Kathedrale,
Südwestecke: Alte Aufnahme.

Der Stufenunterbau ist jedoch nicht nur zum Ausgleiche des Bodens da. Jeder der altarmenischen
Bauten steht auf solchen Stufen. Sie mögen im Laufe der Zeit verändert oder verschwunden sein.
Spuren dürften bei Nachgrabungen überall zutage treten. Im Durchschnitt sind es drei Stufen, deren
Höhe nicht gerade angenehm zum Steigen eingerichtet ist, sie schwankt zwischen rund o’$o—0^50 m.
Der eigentliche Zweck der Stufen muß also wohl ursprünglich ein anderer gewesen sein. Dazu kommt,
daß Diraklar (S. 140) und die Basilika von Ereruk (S. 153) min¬
destens sechs, die Kathedrale von Ani (S. 185) deren fünf hat.
Wir werden Seite 335 f. die Kirche von Tekor kennen lernen, die
auf einen Unterbau von neun Stufen nach der Talseite steht und
dann noch den eigentlichen Baukörper auf zwei weitere Stufen
stellt. Übrigens betrachte man oben, Seite 109, Zwarthnotz: die
sechzehneckige Gesamtbaufläche ruht auf sieben, die Rundfläche
für die Kathedrale selbst auf weiteren drei Stufen — scheinbar
wenigstens. Die armenischen Kirchenerbauer treiben also einen
sehr beachtenswerten Aufwand mit diesen Unterbauten.
Gleich hier sei auf eine Eigentümlichkeit in Anwendung dieser
Stufen hingewiesen, die in Zukunft weiter führen könnte. Nicht
alle Stufen gehören zum Unterbau. Es
daß diese Stufen in vielen Fällen rein
der Kirchen gelegt sind, in der Art,
Innenbodens beginnend, diesem nicht
geschoben sind, sondern außen an den Wänden emporsteigen.
Ein gutes Beispiel bietet die Kathedrale von Edschmiatsin, für
die gerade bei dieser Gelegenheit gezeigt werden kann, wie sehr
dort mit endlosen Wiederholungen und Veränderungen zu rechnen
ist. Man vgl. bei Grimm E.-M., Mon. d’arch., Tafel XXVII mit
Tafel XXVI oben: Es ist die gleiche Südwestecke des Baues ge¬
geben, Tafel XXVII nach einer alten Aufnahme, Tafel XXVI
nach dem heutigen Bestände (Abb. 340 und 341). Früher waren
den Wänden drei richtige, breit ausladende Stufen vorgelagert,
 
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