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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Hrsg.]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0116
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STRAHLENFÖRMIGE KUPPELBAUTEN

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immer wieder zum Gegenstände seiner Überlegungen gemacht. Freilich ist unsicher, ob das gerade
durch armenische Bauten veranlasst ist. S. Satiro in Mailand und noch mehr Germigny-des-Pres bei
Orleans gehören in diese Typenreihe. Leonardo kann also auch durch diese abendländischen Bauten
angeregt sein. Es frägt sich nur, wie weit sie selbst ohne Armenien denkbar sind. Davon wird
noch ausführlich zu sprechen sein. Daß diese Bauform der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts geläufig
war, belegt die Vision des Gregor bei Agathangelos. Davon später.

2. Reine Strebenischenbauten.
Eine zweite Reihe von strahlenförmigen Kuppelbauwerken zeigt das Grundquadrat im Äußern
nicht, die Strebenischen sind vielmehr unmittelbar aneinandergereiht. Ich nehme fürs Erste an, daß
diese Anordnung aus der Gewohnheit und Erfahrung des Nischenbaues entstanden ist: Die Auflassung
des Quadrates hat sich zuerst im Äußern, dann auch im Innern vollzogen, dann könnte der Übergang
zum Sechs- und Achteck gefolgt sein. Oder ging der Konchenbau dem Quadrat in Armenien voraus?
Matschitlu. Eine eigenartige Bauform wäre im Gebiete dieser Gruppe eine kleine Kirche in
Matschitlu zwischen Alexandropol und Artik, in die wir leider nicht eintreten konnten. Sie zeigt,
auf drei Stufen von 30 bis 40 cm stehend, außen vier ungleiche, (i‘8o, 2'20 und 3'10 m) aus einem
inneren Quadrat vortretende, rechteckige Kreuzarme, die alle 6 m lang sind. Inschriften von 1001
in rotem Stein und aus dem 10. Jahrhundert in Basalt weisen auf frühe Zeit. Thoramanian nimmt
das 7. Jahrhundert als Entstehungszeit an. Dazu würde die Bildung von Fenster und Tür mit
knopfgeschmückten Bogenbändern passen. Die Kuppel ist eingestürzt. An der Westseite ein moderner
Anbau. Die rechteckigen Ausbauten an Stelle der Strebenischen sind auffallend. Wir wollten den
Bau, der von Alexandropol leicht zu erreichen ist, später aufnehmen, kamen aber nicht dazu. Dann
kam der Krieg dazwischen. Unten, Seite 128, wird ein ähnlicher, aber sechseckiger Bau auf der
Zitadelle in Ani vorgeführt werden. Ich weiß nicht, ob die vier Arme innen auch in Matschitlu
wie dort runde Nischen umschließen.
A. Einfache Vierpässe (Abb. 46).
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Das Quadrat, außen nicht sichtbar, ist in dieser Gruppe lediglich stillschweigend zwischen den
vier Ecken vorhanden, in denen die Strebenischen zusammenlaufen. Es entsteht so eine Grundform,
die als Tetrakonchos, Kleeblatt — oder, wie ich sie nenne — Vierpaß bezeichnet werden kann.
Dabei sind zwei wichtige Gruppen zu trennen, je nachdem der Vierpaß einfach ist oder einen
Umgang aufweist. Bei der ersten Gruppe, dem einfachen Vierpasse treten die vier Strebenischen
zugleich außen als Umfassungsmauern auf. Die Bauten dieser Art unterscheiden sich von einander
nicht so sehr durch kleine Änderungen in der Ausgestaltung des vierbusigen Innenraumes mit der
Kuppel, als vielmehr dadurch, wie viele Nebenräume sie haben. Auf die Art, wie der Bau außen
ummantelt ist, nehme ich zunächst bei der Einteilung keine Rücksicht. Man sieht ganz deutlich, daß
ursprünglich wohl überhaupt keine Nebenräume da waren; tatsächlich ist mir denn auch wenigstens
ein solcher Bau bekannt geworden. Erst durch die Forderungen des Gottesdienstes mögen nach dem
5. Jahrhundert Nebenräume notwendig geworden sein, einer oder zwei. Warum man auch zu vieren
griff, wird später erörtert werden.
a) Vierpässe ohne- Nebenraum.
Sanahin, Gregorkapelle. Sie steht (Seite 67, Abb. 42, Nr. 31), ganz abgelegen in der Mitte
der Hinter-, das heißt der Ostseite des Klosters an der Südwestecke der sogenannten Bibliothek
und wird bald als Gregor-, bald als Grabkapelle bezeichnet und der Bauzeit nach in das Jahr 1061
gesetzt2). Abbildung 90 zeigt die Kirchengruppe von der Hinterseite (nach einer Aufnahme von
x) Nach Grimm (Egiazarov-Martyrosiantz) »Monuments d’architecture de l’antique Armenie«, Tafel XIX.
2) Das Kloster selbst ist 966 (972—76) gegründet. Darüber teilt P. N. Akinian mit: In einer Nachschrift der Werke des
hl. Basilius (aus der Bibliothek zu Sanahin) heißt es: ... erwähnet in Euren Gebeten den hochwürdigen Zeugen Simeon, den braven

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