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Strzygowski, Josef; Strzygowski, Josef [Editor]
Die Baukunst der Armenier und Europa: Ergebnisse einer vom Kunsthistorischen Institute der Universität Wien 1913 durchgeführten Forschungsreise (Band 1) — Wien: Kunstverl. Schroll, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.47010#0472
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Gestalt

45S

Eine darstellende Bildhauerei im Sinne der älteren orientalischen Kulturen oder der griechisch-
römischen Kunst gibt es in breiter Schicht in Armenien nicht. Die Bildnerei wird also nicht der
Baukunst entfernt gleichwertig in den Dienst der religiösen Kunst gestellt. In Armenien gibt es
ursprünglich nicht einmal eine religiöse Malerei in dem Sinne wie in Byzanz und im Abendlande d. h.
zur Belehrung derer, die nicht lesen können. Davon später. Und doch ist die darstellende Bild-
hauerei, vom Süden und Westen eingeführt, (darüber auch unten S. 717 f und 81 if.), nicht ganz aus-
geschlossen. Es gibt, wie wir sahen, ein Sondergebiet, auf dem ihr eine Betätigung offen gelassen
ist: die Darstellung des Stifters. Doch gewinnt auch diese nie Einfluß auf das Bauen selbst, etwa
in dem Sinne, daß ein Bauglied sich jemals umsetzt in menschliche Gestalt.
Nachtrag.

Ich schließe diesen ersten Band ab, nachdem auch der zweite ausgesetzt vorliegt. In diesem Zeit-
punkt erst macht mich P. Nerses auf eine Kirchenbeschreibung des Gregor von Narek in seiner
»Geschichte von Aparank« aufmerksam, die ich hier im Auszuge nach einer Übersetzung von
P. Alexander wiedergebe J). Die Kirche wurde nach 983 in Anwesenheit der Brüder Aschot, Gurgen
und Senekerim, der späteren Könige von Waspurakan2) geweiht. Über ihre späteren Schicksale ist
nur bekannt, daß Simon von Aparank im 17. Jahrhundert klagt, sie sei verwahrlost.
Der Text lautet ungetähr: »Stephan von Mokk hat die Kirche vom hl. Kreuz bauen und diese -
Schöpfung mit verschiedenem Schmuck fast wie den Himmel auf Erden aufrichten lassen. Die Vor-
hallen der von Cherubim bewohnten Kirche hat er wie die Vorhallen von Zion verziert. Die Wohnungen
ringsum sind so schön, daß sie himmlisch genannt werden können, voll mit Waffen für die Wachen, die
die Kirche beschützen. Über der Kirche baute er in Gewölben eine Kuppel, das Ganze wie eine Stadt
zu Ehren der Muttergottes mit großen Toren in ausgezeichnetem Schmuck, schöner und himmlischer
als die goldene Lade des Moses. Die Kirche hatte auch eine Glocke, war mit Seide und anderen Stoffen
und die Mauern mit kostbaren Steinen (Porzellan, Mosaik?) in verschiedenen Farben künstlerisch
ausgestattet. Dann hat er sie mit einer großen Mauer umschlossen und den äußeren Teil der Tore
(den Türstock) mit verschiedenen viereckigen Reliefsteinen in Ranken verziert, wie man die Braut
mit Hochzeitskleidern anzieht, die Türflügel aber mit farbenreichen Hölzern und Elfenbein ausgelegt.
In die Mitte der Vorhalle hat er ein Becken aus Glas, sehr dick und groß gestellt. Die Altarvorhänge
bildete er aus einem ägyptischen Stoffe ganz aus Gold, blitzend in anmutigem Schmuck. Den Altar
bedeckte er mit einem wunderschönen Tuche aus Meerpurpur von den Inseln von Elima stammend.
Den Scheitel der Kuppel verband er durch feste Steine so schön wie das Haupt einer Königin.
Er malte die Kirche aus mit Bildern von jetzt unsichtbaren Heiligen zur Erinnerung ihres sichtbaren
Lebens und alles Vielteilige wurde zur Einheit gebracht wie ein Bildwerk mit sieben Augen nach
der Vision von Zorobabel. Um die Kirche Gärten, Waldbäume, Blumen, Obst und Wasser.« Man lese
diese in schwülstiger, kaum zu übersetzender Sprache verfaßte Beschreibung im Zusammenhänge
mit Seite 228f. und 302 f. Ich werde von ihr auch im zweiten Bande kaum den angemessenen Gebrauch
machen können, z. B. wäre sie Seite 568 und 705!. zu erwähnen gewesen. Doch soll sie am Schlüsse
in die Schlagwortreihe aufgenommen sein. Man sieht nur, daß eine genaue Durcharbeitung der
armenischen Literatur noch recht viel Ausbeute verspricht. Aparank liegt südlich vom Wansee,
also unfern Achthamar.

2) Ausgabe Venedig 1827, S. 19—22.
2) Vgl. die Königsliste, S. 600.
 
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